Authentizität auf Reisen. Dieses spannende Thema wirft Ulrike auf ihrem schönen Blog bambooblog.de auf. Und obwohl ich selten an Blogparaden teilnehme, lässt mich diese Frage doch spontan nicht los. Denn die Frage stelle ich mir auch oft – nicht nur beim Reisen, sondern auch beim Bloggen und beim Fotografieren.

Authentisch reisen

Was bedeutet „authentisch reisen“ für mich? Was ist eine authentische Reise überhaupt? Sind meine eigenen Reisen authentisch? Natürlich sind sie das! Denn ich reise so, wie es für richtig halte, so wie ich am meisten Spaß dran habe. Das ist es, was für mich zählt.

Für mich ist „authentisch“ grundsätzlich erst einmal das Gegenteil von „gekünstelt“. So weit so einfach. Trotzdem ist das natürlich eine durchaus komplexe Thematik.

Vielleicht fange ich einfach mal an, Beispiele zu nennen, was ich persönlich alles als „nicht authentisch“ empfinde.

  • Jemand, der mit dem Rucksack durch die Pampa reist, nur um von sich sagen zu können, er reise authentisch, obwohl er viel lieber in den nächsten Mietwagen steigen würde, ist für mich nicht authentisch.
  • Jemand, der sagt, man müsse in einer fremden Stadt folgende 10 „Geheimtipps“ finden und besuchen und auf die „großen touristischen Sehenswürdigkeiten“ verzichten, ist ebenso wenig in meinen Augen authentisch. Denn das ist Blödsinn.
  • Schwarz-Weiß Maler, Hamsterrad-Verteufler – jeder, der mir seinen Weg, seine Einstellung als die einzig wahre verkaufen will, ist nicht authentisch. Mal ehrlich das ist doch Bullshit. Die Leute wollen doch einzig und allein ihre Zielgruppe definieren und bedienen und das um jeden Preis. Auch um den Preis ihrer eigenen Authentizität. Gilt nicht für alle, aber für viele.
  • Jemand, der mir auf seinem Blog erzählt, wie toll das digitale Nomadentum sei, obwohl er gerade mit zerschlissenen Klamotten und einem hungrigen Bauch um Worte ringend in einem zweitklassigen Internetcafé sitzt, ist nicht authentisch.
  • Genauso wenig übrigens wie der digitale Nomade im 5 Sterne Hotel, der mir erzählt, wie wenig man doch zum Leben braucht.
  • Oder ein Vollzeit-Blogger-Schrägstrich-Weltreisender, der mir was von grenzenloser Freiheit erzählt, de facto aber in Ländern mit niedrigem Lebenskosten feststeckt, weil er es sich nicht leisten kann, nach New York, Sydney oder wohin ihn „seine sogenannte Freiheit“ sonst noch so treiben könnte, zu reisen!

Auf der anderen Seite halte ich aber jemand für sehr wohl authentisch, der mir leidenschaftlich von seiner letzten Pauschalreise erzählt, die er einfach nur wirklich genau so genossen hat, weil er diese Art des Reisens liebt. Ist seine Reise „nicht authentisch“, nur weil es eine Pauschalreise ist? Wohl kaum.

Authentizität ist subjektiv!

Ich glaube, Authentizität liegt im Auge des Betrachters. Jeder, der etwas tut, weil er es gern tut, der genau auf dieser Art und Weise reist, die ihm gefällt, ist authentisch. Es gibt nicht „die authentische Art und Weise des Reisens“. Jeder muss für sich selbst entscheiden, was ihm Spaß macht, wie er gern reist und was für ihn persönlich authentisch ist.

Backpacking wäre zum Beispiel nichts für mich. Würde ich plötzlich so reisen, nur um darüber schreiben zu können und so eine große Zielgruppe zu erreichen, dann wäre ich nicht mehr authentisch. Denn das ist einfach nicht meine Art des Reisens.

  • Ich reise, um etwas von der Welt zu sehen.
  • Ich möchte dabei ein Gefühl für fremde Kulturen bekommen – auch ohne, dass ich komplett wie ein Einheimischer lebe.
  • Ich möchte exotische Landschaften sehen, Natur genießen oder eben auch die großen, klassischen Sehenswürdigkeiten eines Landes bestaunen und fotografieren – auch wenn da noch Hundert andere Touristen daneben stehen.
  • Ich möchte beim Reisen aber auch nicht auf ein gewisses Maß an Komfort verzichten.
  • Ich möchte stets mit meiner Familie das Gefühl haben, „sicher“ zu sein.
  • Ich möchte fotografieren und allem Anspruch an Qualität zum Trotz einfach jederzeit auf den Auslöser drücken können. Lieber mache ich 9 schlechte und zufällig ein gutes Foto, als 3 Stunden eine Gegend zu erkunden, den perfekten Standort zu ermitteln, den Sonnenstand einzuberechnen, mich mit Stativ aufzubauen und dann dieses eine geniale Foto zu machen. Hey, in den 3 Stunden habe ich im Gegensatz zu dieser Art Reisefotograf bereits 2 Cafés, ein neues Stadtviertel und 3 spannende Sehenswürdigkeit entdeckt und „geknipst“.

Authentisch fotografieren

Ich wäre nicht ich, wenn ich vorgeben würde, etwas anderes zu sein. Der „andere“ Reisefotograf dagegen wäre nicht er, wenn er nicht jeden Abend losziehen würde, um beim perfekten Licht den am Tage ausgekundschafteten Ort aufzusuchen und sein Bild zu komponieren. Wir beide sind dabei authentisch. Jeder auf seine Art.

Ist ein Foto eines beiläufig aufgenommenen Arbeiters authentischer, als ein sich in Pose werfender Verkäufer auf einem Markt?

Das kommt drauf an!

Auf den Kontext, auf das, was das Bild aussagen soll. Wer es aufgenommen hat und warum. Ich maße mir nicht an, zu sagen, das eine wäre authentischer als das andere. Das eine Foto kommt dann vielleicht ins National Geographics und ist dort absolut authentisch. Das andere Foto landet in einem witzigen Reiseblog und passt dort situationsbedingt vielleicht wie die Faust aufs Auge. Beide sind authentisch. Beide Bilder wären es umgekehrt im jeweilig anderen Kontext aber auch gleichzeitig wieder nicht.

Authentisch bloggen

Das Bloggen ist auch so ein Thema. Ich stolpere immer wieder über Blogs, die mir traumhaft schön die 10 Top Sehenswürdigkeiten von Timbuktu oder die 5 besten Restaurants auf Little Island oder was weiß ich näher bringen wollen. Die wenigsten davon empfinde ich als authentisch. So wie ich übrigens überhaupt die Masse an Reiseblogs heute kaum noch authentisch finde. Vielen merkt man die SEO Optimierungen an. Trendthemen finden sich plötzlich auf jedem zweiten Blog. Nach den 10 tollsten Sehenswürdigkeiten in Barcelona auf Blog A folgen die 12 noch tolleren auf Blog B und wenig später die 15 besten überhaupt auf Blog C. Kann ich die Gründe dafür verstehen – na klar. Reichweite über alles. Oder so. Authentisch ist das aber für mich lange nicht mehr.

Bin ich selbst immer authentisch?

Schwer zu sagen. Ich versuch’s zumindest. Na klar optimiere ich meine Artikel. Na klar wähle ich Themen, von denen ich glaube, dass sie ankommen. Na klar, versuche ich Artikel so aufzubereiten, dass andere sie auch spannend finden und sie entsprechenden Mehrwert bieten. Aber alles nur bis zu einem gewissen Grad. Ich habe eine Schmerzgrenze, die ganz klar definiert ist. Sie liegt in meinem Bauchgefühl. Ganz einfach. Was sich für mich nicht gut anfühlt, lasse ich.

In der Zeit, als ich ein großes On-Exit Popup auf meinem Blog hatte, wuchsen meine Abonnentenzahlen kontinuierlich. Trotzdem ist das Popup inzwischen wieder weg. Warum? Ganz einfach, weil es sich nicht gut angefühlt hat für mich. Das war nicht ich. Weg damit. Aus dem Grund gibt es auch keine Round Ups bei mir. Mag ich nicht. Ich bediene auch keine Nische, um besser zu ranken. Was soll’s! Nutze kein Snapchat, nur weil es „in“ ist. Ich fotografiere mich nicht ständig selbst. Alles Dinge, die mir vielleicht mehr Reichweite bringen würden, die ich aber nicht mag.

Es wäre nicht authentisch, weil das einfach nicht mehr ich wäre.

Genauso ist es beim Reisen. Ich reise so, wie ich es schön finde. Ich muss nicht mit Einheimischen ins Gespräch kommen, wenn es nicht passt. Ich muss nicht tolle Sonnenuntergangsfotos von der Skyline Dubais machen, nur um dem klassischen Klischee gerecht zu werden. Schreib ich halt, wie ich abends mit meiner Familie in den Hotelpool hüpfe!

Stinklangweilig? Nicht authentisch? Vielleicht!

Na und?

Es ist das Reisen, wie ich es liebe!

Viel sehen, aber immer unter dem Aspekt, dass jeder von uns drei sich wohl fühlt und auf seine Kosten kommt. Viel fotografieren, aber ohne, dass das Reise-Vergnügen meiner Familie drunter leidet. Gern probiere ich einheimische Küche – genauso wenig habe ich aber auch ein Problem damit, in Dubai bei McDonalds zu essen. So what? That’s me!

McDonalds

Authentisch? McDonalds in Dubai?

In den USA mal ein Baseball Spiel sehen, in Irland ein Irish Breakfast genießen, in Dubai mit dem Abra über den Creek fahren gehören für mich natürlich auch dazu. Aber wer das nicht mag, ist für mich nicht gleich weniger authentisch. Jeder wie er möchte. Leben und leben lassen. Solange man sich nicht für andere verstellt, eine Scheinwelt vorgaukelt oder etwas tut, nur weil „es sich vielleicht so gehört“ oder andere das so erwarten – solange ist für mich jede Art des Reisens authentisch.

Authentisch Reisen - Baseballspiel in den USA

Authentisch? Ein Baseball Spiel in den USA?

Wann ist etwas „authentisch“?

Und die Frage, ob eine Stadt, ein Ort, eine Sehenswürdigkeit, ein Essen oder ein Verhalten in einem bestimmten Land „authentisch“ sind, ist sowieso Quark. Für die einen mag es das sein, für die anderen nicht. Viele sagen, etwas künstlich Geschaffenes – sei es gebaut, als touristisches Ziel aufgebaut und beworben oder explizit zum Zwecke der Verschönerung kreiert, wäre nicht „authentisch“. Nun, dann ist in Dubai außer den Stadtteilen Bur Dubai und Deira nichts, aber auch gar nichts authentisch?!

Andere behaupten, nur „Geschichtliches“ wäre authentisch. Ist das so? Wären mit dieser Definition aber nicht alle modernen Errungenschaften „nicht authentisch“? Wo beginnt Geschichte? Vor 500 Jahren? 10 Jahren? 1 Jahr? Gestern? Vor 5 Minuten?

Die meisten Asiaten finden zum Beispiel Weißwürste, Lederhosen und Kuckucksuhren authentisch für Deutschland. Aber mal ehrlich, sind das auch für dich DIE Highlights unseres Landes?

Authentisch Reisen - Kuckucksuhr

Authentisch? Eine überdimensionale Kuckucksuhr?

Was ist in Deutschland „authentisch“?

Was würdest du einem ausländischen Touristen raten, wenn er authentisch Deutschland kennen lernen möchte? Feiern in Berlin? Kanu Fahrt auf der Spree? Ein Fußballspiel in Dortmund? Jodeln in München? Wandern im Schwarzwald? Was ist „authentisches Reisen“ in Deutschland?

Ich denke, da gibt es keine pauschale Antwort drauf. Das empfindet einfach jeder anders! Für den einen ist es regionales Essen, für den nächsten ist es das Brandenburger Tor, für den Dritten vielleicht ein Strandurlaub an der Ostsee oder eine wilde Party Nacht in einem Berliner Szene Viertel.

Unsere Welt ist bunt und vielseitig! Und das ist wunderschön so.
Jeder Mensch nimmt Dinge anders war. Und auch das ist gut so!

In der Anfangszeit waren Weblogs, also Blogs, noch genau das: Berichte, Online-Tagebücher, ein Medium, andere an seinen Erlebnissen teilhaben zu lassen. Heute sehe ich vor allem optimierte Artikel, Listen mit Dingen, die man tun muss oder auf keinen Fall machen soll. Reviews, Empfehlungen, Blogparaden und Round-Ups. Hoch optimierte auf maximalen Mehrwert ausgelegte Zusammenfassungen. Was weiß ich. Für mich sind die wenigsten davon authentisch. Das heißt übrigens nicht, dass sie es nicht vielleicht doch sind. Es ist halt meine eigene subjektive Empfindung. Auch meinen eigenen Blog wird nicht jeder, der ihn liest „authentisch“ finden. Das ist mir klar. Und das ist okay!

Für mich ist das Wichtigste folgendes: dass ich mir selbst treu bleibe, beim Reisen, beim Fotografieren, genauso wie beim Bloggen!

Punkt.

Wenn mir danach ist, ein Must See Artikel zu schreiben, dann tue ich das einfach. Genauso wie ich in meine Reiseberichte gern Infoboxen mit zusätzlichen Fakten einbaue. Klar fällt das auch unter Artikel-Optimierung. Aber wer die Infos liest, wird auch feststellen, dass da oft nur genau die Dinge drin stehen, die ich interessant finde, die ich mir vielleicht gewünscht hätte, woanders zu finden oder die aus meiner Sicht einen Mehrwert für meine Leser bieten.

Und was ist nun „wirklich authentisch“?

Auf der anderen Seite schreibe ich teils ellenlange Artikel über nur einen einzigen Reisetag. Warum? Weil ich diese Artikel auch oder vielmehr vor allem für mich selbst schreibe. Es sind meine Erinnerungen. Ich lese sie immer wieder gern. Bringe mir so Details eigener Erlebnisse ins Gedächtnis zurück.

Viele Artikel schreibe ich einfach nur für mich!

Analog mit meinen Fotos. Oft sind sie sehr bunt und kontrastreich oder haben Texturen, die dem Bild ein Aussehen geben, das wenig mit dem real Gesehenen als viel mehr mit dem, wie ich etwas in Erinnerung habe, zu tun hat. Sind sie authentisch? Für mich sind sie es. Denn sie spiegeln meine Sicht der Dinge, meine Gefühle beim Erlebten und Gesehenen wieder.

Ich hab schon gelesen, dass Menschen behaupten, bearbeitete Fotos wären nicht authentisch. Genauso ein Schwachsinn. Na klar verändert man durch Bearbeitung ein Bild und beeinflusst seine Aussage. Aber das Gleiche tut man auch schon durch Auswahl von Standort, Zeit, Motiv & Co.

Authentizität heißt für mich, mir selbst treu zu bleiben. Das zu machen, was ich mag, so zu reisen, wie ich es liebe. So einfach ist das.

Lieben Dank Ulrike, für die Anregung, diese Worte einfach mal hinaus fließen zu lassen!