In der Finanzlektion der Woche erkläre ich dir, was man unter Chartformationen versteht und welches die wichtigsten Chartformationen sind. Außerdem werfe ich einen Blick zurück auf die Kalenderwochen 27-28 / 2019, verrate dir, was sich in meinem Depot getan hat und welche Entwicklung ich für den Aktienmarkt und den Goldmarkt für die kommende Woche sehe.

Finanzlektion der Woche – Chartformationen

Auch wenn die Börse oft chaotisch wirkt – ein Blick auf einen Chart zeigt, dass der Kurs im übergeordneten Bild meist alles andere als chaotisch verläuft. Den Verlauf in Trendkanälen habe ich dir ja schon aufgezeigt. Und auch was Widerstandszonen und Widerstandslinien sind, weiß du bereits. Genau diese Linien sind es, die in bestimmten Konstellationen wiederkehrende Muster entstehen lassen, aus denen mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten auf den weiteren Kursverlauf eines Basiswertes geschlossen werden kann.

Dabei unterscheidet man grundsätzlich Trendfortsetzungsmuster und Umkehrformationen.

Trendfortsetzungsmuster

Trendfortsetzungsmuster sind Muster, in denen der Kurs nach einem Anstieg bzw. Abstieg eine bestimmte Zeit lang konsolidiert. Das ist letztendlich nichts anderes als ein – zumindest für eine Zeit lang – ausgeglichener Kampf zwischen Bullen und Bären. Nach Abschluss der Konsolidierung bricht der Kurs in der Regel in der Haupttrendrichtung aus und setzt dann seinen Anstieg bzw. Abstieg weiter fort.

Zu den Trendfortsetzungsmustern gehören vor allen Wimpel, Dreiecke und Flaggen.

Aufsteigendes Dreieck

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Das aufsteigende Dreieck erkennt man an einer in der Regel horizontalen Begrenzungslinie und einer aufsteigenden, unteren Begrenzungslinie.

Absteigendes Dreieck

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Das absteigende Dreieck tritt bevorzugt in einem Abwärtstrend auf. Die untere Begrenzungslinie verläuft horizontal, die obere verläuft abfallend.

Wimpel

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Der Wimpel ist ein symmetrisches Dreieck, dessen obere Begrenzungslinie etwa im gleichen Winkel fällt, wie die untere steigt.

Flagge

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Die Flagge besteht aus zwei parallelen Begrenzungslinien, zwischen denen sich der Kurs eine Weile hin und her bewegt. Im Aufwärtstend auftretend fallen beide Begrenzungslinien und bilden so tatsächlich eine Art Flagge.

Umkehrformationen

Trendumkehrmuster sind meist am Ende eines länger laufenden Trends zu finden. Auch hier scheint der Kurs zu konsolidieren, allerdings bricht der Kurs am Ende der Konsolidierung entgegen der vorher vorherrschenden Trendrichtung in die entgegengesetzte Richtung aus. Der alte Trend ist beendet und es beginnt ein neuer Trend. Wer Umkehrformationen kennt und vor allem erkennt, kann besonnen mit der Trendumkehr umgehen, rechtzeitig aus- oder einsteigen und die richtigen Schlüsse daraus ziehen – ohne vom neuen Trend eiskalt auf dem falschen Fuß erwischt zu werden.

Zu den wichtigsten Umkehrformationen gehören die Schulter-Kopf-Schulter-Formation und das Doppelhoch bzw. -tief.

Schulter-Kopf-Schulter-Formation

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Die Schulter-Kopf-Schulter-Formation (kurz S-K-S) besteht aus einem ersten Hoch, von dem aus der Kurs kurz fällt, um dann ein neues, höheres Hoch auszubilden – dem Kopf. Im Anschluss fällt der Kurs erneut auf das Niveau des letzten Tiefs, wo es mit diesem die sogenannte Nackenlinie bildet. Es bildet sich nun ein drittes Hoch, das aber das vorherige nicht mehr erreicht – die rechte Schulter. Der Kurs fällt nun deutlich und durchbricht dabei die Nackenlinie. Fertig ist die S-K-S.

Hinweis: Eine S-K-S kann auch als inverse Formation auftreten. Diese sieht aus wie eine auf dem Kopf stehende S-K-S in einem Aufwärtstrend (oder wie eine echte S-K-S in einem Abwärtstrend) und fungiert im Gegensatz zur „korrekten“ S-K-S meist eher als Trendfortsetzungsformation.

Inverse S-K-S

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Doppelhoch / Doppeltief

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Beim Doppelhoch erreicht der Kurs ein Niveau, an dem der Kurs abdreht und das er auch im zweiten Anlauf nicht überwinden kann. Das Ganze sieht dann wie ein großes „M“ bzw. im umgekehrten Fall im Abwärtstrend wie ein großes „W“ aus. Je größer der Zeitrahmen und die Formation, desto höher die Aussagekraft.

Neutrale Chartformationen

Außerdem gibt es neutrale Chartformationen, die zunächst keinerlei Hinweis auf den weiteren Kursverlauf geben. Ein Ausbruch aus der Konsolidierung erfolgt mit gleicher Wahrscheinlichkeit in Trendrichtung wie entgegen der Trendrichtung. Ein Ausbruch ist hier unbedingt abzuwarten, um auf den weiteren Kursverlauf schließen zu können.

Trompete

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Die Trompete besitzt eine steigende, obere Begrenzungslinie und eine fallende, untere Begrenzungslinie. Der Kurs, der zwischen beiden hin und her pendelt, nimmt immer größere Amplituden an, bis der Kurs schließlich eine Begrenzungslinie durchstößt und die Trompete verlässt.

Rechteck

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Das Rechteck besitzt zwei parallele, horizontale Begrenzungslinien, zwischen denen der Kurs hin und her schwingt. Die Ausbruchsrichtung ist zunächst völlig offen.

Keil

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Der Keil besteht aus zwei in unterschiedlichen Winkeln steigenden bzw. fallenden Begrenzungslinien, die sich immer weiter verjüngen und aufeinander zulaufen. Oftmals bricht der Kurs aus dieser Formation sehr explosiv und mit starkem Impuls aus. Ob der Keil fällt oder steigt hat meiner Erfahrung nach wenig Aussagekraft über die Ausbruchsrichtung – auch wenn in anderen Quellen oft zu lesen ist, dass der Ausbruch aus einem steigenden Keil meist abwärts erfolgt und aus einem fallenden Keil meist aufwärts. Meiner Erfahrung nach erfolgt der Ausbruch in beide Richtungen gleichermaßen, weshalb ich den Keil eher als neutrale Chartformation betrachte.

Wichtig zu beachten ist aber, dass keine der vorgestellten Chartformationen eine Garantie für die weitere Entwicklung des Kurses ist. An der Börse ist immer alles möglich. Eine 100 % Wahrscheinlichkeit gibt es nicht. In der Mehrzahl der Fälle mag eine Umkehrformation tatsächlich die Umkehr des Trendes anzeigen – aber eben nur in der Mehrzahl. Im Einzelfall ist immer beides möglich, auch wenn die Wahrscheinlichkeit für beide Alternativen unterschiedlich ausfällt.

Ich werde auf alle Chartformationen in mehr Tiefe in den nächsten Finanzlektionen eingehen.

 

Die Börsenwoche im Rückblick

Chartanalyse Dow Jones

Der Dow Jones hat in der KW 27 nur wenig Fortschritte gemacht, da Bullen und Bären nach wie vor heftig miteinander kämpfen, was auch an dem kleinen Hanging Man im Wochenchart erkennbar ist. In der letzten Woche jedoch übernahmen die Bullen klar das Ruder. Auf Wochenbasis entstand eine sehr schöne, positive Trendkerze, die den Dow Jones nicht nur einen Schlusskurs auf Tages- und Wochenhoch bescherte, sondern zugleich ein neues Allzeithoch darstellt. Wow!

Der einzige Wermutstropfen an der Sache – Der Schlusskurs liegt exakt im Schnittpunkt zweiter wichtiger, langfristiger Widerstandslinien. Eine davon könnte die Oberkante einer riesigen Trompete darstellen. Diese Formation habe ich lange erahnt und doch wieder verworfen gehabt. Sollte sie sich nun doch noch einstellen?

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Im Tageschart ist sehr schön die 2-wöchige Konsolidierung in einem aufsteigenden Keil zu erkennen, der am Donnerstag und Freitag unter steigendem Volumen nach oben verlassen wurde. Eigentlich ein Musterbeispiel dafür, dass der Kurs nun weiter deutlich steigen könnte – wenn da nicht eben jener wichtige Kreuzwiderstand wäre.

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Chartanalyse Gold

Gold setzte die Konolidierung des deutlichen Kursanstieges der Vorwochen fort. Im Wochenchart bildeten sich Kerzenkörper mit langen Schatten zu beiden Seiten – in KW 27 mit kleinem negativem Kerzenkörper und in KW 28 mit einen umschließenden, etwas größeren positiven Kerzenkörper. Es bildete sich eine Art Engulfing, das aber aufgrund der Seitwärtstendenz weniger Aussagekraft hat, zumal die letzte Wochenkerze auch nur eine Innenkerze darstellt.

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Im Tageschart sieht man bei Gold sehr schön die Ausbildung eines Wimpels, der in der Regel eine Trendfortsetzungsformation darstellt. Positive und negative Kerzen haben in den letzten Tagen einander abgewechselt, was schön das ausgeglichene Verhältnis zwischen Bullen und Bären zeigt.

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Trendbarometer

Langfristig Mittelfristig Kurzfristig
Dow Jones
Gold

 

Depotänderungen

In dieser Woche gab es keine Positionsveränderungen in meinem Depot. Während der Nasdaq in den letzten beiden Wochen weiter zulegte, stagnierten Gold und Silber im Wesentlichen. Unter dem Strich ergibt sich ein Zuwachs von 1,7 % im Vergleich zum Stand vor 2 Wochen.

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Börsenausblick auf die kommende Woche

Pünktlich zur Jahresmitte steht der Dow Jones am vielleicht spannendsten Kursniveau der letzten 2 Jahre. Die letzte Wochenkerze ist eine schöne Trendkerze, die sogar auf Allzeithoch geschlossen hat. Und trotzdem ist damit noch nicht die Messe gelesen. Denn damit steht der Dow Jones wie bereits erwähnt exakt am oberen Ende einer riesigen Trompete. Ich glaube daher, dass der Kursverlauf in der nächsten Woche Aufschluss darüber geben wird, wo der Dow Jones in 6 Monaten stehen wird – nämlich entweder deutlich höher oder deutlich tiefer.

Möglichkeit 1 – die bullische Variante:

Der Dow Jones bildet in der nächsten Woche eine weitere positive Trendkerze und schießt somit durch den Kreuzwiderstand nach Norden. Das könnte der Beginn einer mehrjährigen schönen Aufwärtsbewegung werden, nachdem der Dow nun schon seit anderthalb Jahren konsolidiert.

Möglichkeit 2 – die (vorläufig) bärische Variante:

Der Dow Jones bildet eine Umkehrkerze oder sogar gleich eine große negative Wochenkerze, die gar ein baerisches Engulfing bildet. Deutet sich dieser Abprall am Widerstand an, dann wird die noch nur in der Theorie existierende Trompete Wirklichkeit. Stark und tief fallende Kurse könnten folgen, bevor die Trompete erst in einigen Monaten nach oben oder nach unten aufgelöst werden wird.

Die Wahrscheinlichkeit für beide Szenarien schätze ich auf völlig neutrale 50:50.

Es gilt also ruhig zu bleiben und abzuwarten. Für Szenario 2 könnte sprechen, dass der Anstieg im Dow Jones in keinem anderen großen Index wie dem Dax oder dem Nikkei vollzogen wurde – ganz im Gegenteil. Klar, wenn der Dow Jones weiter steigt und Szenario 1 sich durchsetzen sollte, dann werden vermutlich auch die anderen Indizes nachziehen. Im Moment ist der Dow Jones aber allein auf weiter Flur.

Auch die mögliche Zinssenkung Ende Juli könnte sich als negativer Trigger herausstellen. Der Markt geht fest von einer Zinssenkung um 25 Basispunkte aus. Sollte diese ausbleiben, wird es düster. Sollte diese wie erwartet kommen, kann ein „buy the rumor, sell the fact“ ebenfalls zu fallenden Kursen führen. Eine Zinssenkung um 50 Basispunkte wäre dagegen sich ein Trigger für steigende Kurse – aber davon gehe ich nicht aus.

Es bleibt spannend. Vielleicht liegt die spannendste Börsenwoche des ganzen Jahres vor uns!

Bei Gold dagegen gehe ich davon aus, dass sich die Konsolidierung zunächst fortsetzen wird. Der Wimpel auf Tagesbasis spricht tendenziell für steigende Kurse, sobald er nach oben aufgelöst wird. Sollte der Ausbruch wider Erwarten zur Unterseite erfolgen, dann wird Gold wohl bis 1.360 USD fallen, um dort die nun als Unterstützung fungierende Oberkante der Untertasse zu testen. Das wäre nur gesund und würde mir noch keine Sorgenfalten ins Gesicht treiben.

Nach wie vor halte ich steigende Edelmetallkurse in den nächsten Monaten für sehr wahrscheinlich. Einzig Silber, das traditionell immer erst später durchstartet, sorgt mich ein wenig, denn die Schwäche gegenüber Gold hält noch immer an. Ein Durchstarten von Silber nach Norden wäre der letzte, fehlende Baustein für eine möglicherweise bereits eingesetzte, langjährige Rohstoffhausse.

 

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