In der heutigen Ausgabe von „Raja Reiselust fotografiert!“ beschäftigen wir uns mit der Blende und mit der Zeitautomatik, dem wahrscheinlich am häufigsten eingesetzten, halb automatischem Programm einer Kamera, mit dem sich die Blende und somit die Schärfe eines Bildes exakt steuern lassen.

Die Zeitautomatik

Raja: Sag mal, Michael, welches Motivprogramm muss ich eigentlich wählen, wenn ich in Städten unterwegs bin? Landschaft? Sport? Portrait? Irgendwie passt das ja alles nicht so richtig.

Michael: Das stimmt. Im Grunde genommen macht da durchaus die Programmautomatik noch am meisten Sinn. Allerdings überlässt du mit dieser natürlich fast alle Entscheidungen für die verschiedenen Kamera Parameter der Technik selbst. Von daher würde ich dir eher die Zeitautomatik empfehlen.

Raja: Zeitautomatik? Was ist das denn?

Michael: Die Zeitautomatik ist ein Programm, das du an deiner Kamera einstellen kannst und mit dem du Herr über die Blendeneinstellung deiner EOS 760D bleibst.

Raja: Herr? Tse, wenn, dann doch bitte Frau! *zwinkert*

Michael: Hehe, hast du natürlich Recht, entschuldige. Auf jeden Fall behältst du die Zügel in der Hand.

Raja: Ich hab die Zügel? Das gefällt mir! Aber was ist denn diese Blende, die ich da einstellen soll, überhaupt?

Wozu die Blende dient

Michael: Nun, die Blende ist eine mechanische Vorrichtung am Objektiv deiner Kamera, die in erster Linie regelt, wie viel Licht auf den Sensor deiner Kamera bei einer Aufnahme fallen darf. Im Grunde kannst du dir die Blende wie ein kreisrundes Loch vorstellen, dass mechanisch vergrößert und verkleinert werden kann.

Je kleiner dieses Loch ist, desto weniger Licht fällt auf den Sensor (geschlossene Blende). Je größer diese Öffnung ist, desto mehr Licht gelangt gleichzeitig hindurch (geöffnete Blende). Ist die Blende maximal geöffnet, also die Öffnung maximal groß, spricht man von einer Offenblende.

zeitautomatik-av-canon-blende

offene Blende vs. geschlossene Blende

Zusammenhang Blende und Helligkeit

Michael: Das bedeutet, dass bei konstanter Zeit dein Bild bei einer weiter geöffneten Blende heller und bei einer geschlosseneren Blende dunkler wird. Oder anders ausgedrückt, für ein Bild mit gleicher Helligkeit braucht deine Aufnahme bei weiter geöffneter Blende weniger Zeit als unter Verwendung einer Blende mit kleiner Öffnung, weil ja im ersten Fall mehr Licht gleichzeitig einfallen kann.

Nachfolgend mal 3 Beispielaufnahmen, die dir die Wirkung verschiedener Blenden auf die Helligkeit des Bildes zeigen. Alle 3 sind mit der gleichen Belichtungszeit von einer Sekunde aufgenommen worden.

Blende f/16, Belichtungszeit 1 Sekunde

Unterbelichtetes Bild aufgrund der geschlossenen Blende

Blende f/11, Belichtungszeit 1 Sekunde

Korrekt belichtetest Bild bei mittlerer Blende

Blende f/5.6, Belichtungszeit 1 Sekunde

Überbelichtetes Bild aufgrund der weit geöffneten Blende

Raja: Okay, verstanden. Aber was hat die Blende nun mit dem Fotografieren in der Stadt zu tun?

Michael: Die Blende beeinflusst – neben der Regulation der Lichtmenge – eine weitere ganz wesentliche Größe bei einem Foto, nämlich die im Bild vorhandene Schärfe. Je kleiner die Blendenöffnung, desto mehr Schärfentiefe wird dein Foto aufzeigen. Je weiter die Blende geöffnet ist, desto weniger scharf werden die Bildbereiche außerhalb deines fokussierten Punktes sein.

Zusammenhang Blende und Schärfe

Michael: Und genau das gibt dir die künstlerische Freiheit, bei deinen Fotos genau zu bestimmen, ob sie zum Beispiel durchgängig scharf sein sollen oder ob du vielleicht ein Motiv im Vordergrund sehr scharf aufnehmen möchtest, während der Hintergrund verschwimmt.

Auf Städtetrips triffst du sehr oft auf sehr unterschiedliche Situationen und möchtest wahrscheinlich sehr flexibel genau diesen Parameter selbst bestimmen. Beispielsweise könntest du eine Person (scharf) aufnehmen während der Hintergrund (unscharf) verschwimmt. Oder du kannst die Skyline einer Stadt mit maximaler Schärfe in allen Bildteilen aufnehmen. Kurz danach fotografierst du vielleicht ein Denkmal, das du durch weniger Schärfe im Hintergrund ein wenig hervorheben möchtest. All das kannst du durch Steuerung der Blendenöffnung selbst bestimmen.

Achte mal bei den folgenden Bildern auf die Schärfe im Hintergrund. Alle 3 sind korrekt belichtet, aber mit unterschiedlichen Blenden aufgenommen.

Blende f3.5

Blende f/3.5: Scharfer Vordergrund, verschwommener Hintergrund

Blende f/11

Blende f/11: Angenehmer Schärfeverlauf

Blende f/18

Blende f/18: Scharfer Vordergrund & scharfer Hintergrund

Raja: Uh, genau das brauche ich. Tatsächlich bin ich nicht immer einverstanden mit dem, was die Programmautomatik da so macht. Oftmals klappt das ganz gut. Aber manchmal hab ich mich auch schon geärgert, dass ein Bild zum Beispiel nicht durchgängig scharf war oder umgekehrt.

Jetzt musst du mir aber auch zeigen, wie genau ich das mit der Kamera steuere. Ich sehe gar kein B für „Blendenprogramm“?!

Bedeutung AV

Michael: Stimmt, denn das Programm, das du hierfür braucht heißt bei Canon „AV“.

Raja: Hö?

Michael: AV steht für Aperture Value, dem englischen Ausdruck für Blendenwert. Das Programm gehört zu den halbautomatischen Programmen.

Raja: Halbautomatisch?

Michael: Genau. In den Motivprogrammen und der Vollautomatik bestimmt deine Kamera ja fast alle Parameter selbst. Aber in den halbautomatischen Programmen, zu denen auch die Zeitautomatik zählt, behältst du komplett die Oberhand über einen wichtigen Parameter während die Kamera die anderen Parameter passend automatisch berechnet – in diesem Fall die Aufnahmedauer. Daher auch der Name „Zeitautomatik“. Denn während du die Blende frei wählst, berechnet die Kamera die für eine korrekte Belichtung notwendige Zeit automatisch. So kannst du dich ganz auf diesen einen Parameter, die Blende, konzentrieren und erhältst trotzdem in fast allen Fällen ein korrekt belichtetes Bild.

zeitautomatik-av-canon-programmwahlrad-eos-760d

Einstellen des Blendenwertes

Raja: Alles klar. Dass stelle ich also das Programmwahlrad auf AV. Frag ich mich aber, wo ich nun den Blendenwert einstellen soll?

Michael: Das geht am einfachsten über die Schnelleinstellungen, die du mittels der Taste mit dem Q (für quick = schnell) auf der Rückseite deiner Kamera aufrufst. Stell mal zunächst das AV Programm ein und drücke dann die Q Taste. Jetzt wird dir das entsprechende Menü auf dem Display auf der Rückseite angezeigt. Bei Canon befindet sich der Blendenwert in der oberen Reihe in der Regel ziemlich genau in der Mitte.

Raja schaltet die Kamera ein, stellt das Programmwahlrad auf AV, drückt die Schnelleinstellungen-Taste und betrachtet das darauf erscheinende Menü.

canon-zeitautomatik-av-blende-einstellen

Raja: Da steht F11. Das ist der Blendenwert, richtig?

Michael: Ganz genau. Das entspricht einer Blende von 11. An anderen Stellen wirst du das übrigens auch als f/11 oder 1:11 lesen. Entscheidend ist aber einfach die Zahl, die dem Blendenwert entspricht – drum verwendet man übrigens oft auch einfach den Begriff Blendenzahl. Wenn du jetzt die SET Taste drückst, kannst du den Wert mit dem Schnellwahlrad entsprechend verstellen. Ein erneutes Drücken von SET bestätigt den aktuell ausgewählten Wert.

Raja: Ok, I see. Und ist diese Blende f/11 eine kleine oder eine große Blende?

Michael: Weder noch. Eine Blende von f/11 ist eine recht universal einsetzbare Blende im mittleren Bereich, die ich selbst häufig und gern einsetze. Blenden mit sehr großer Schärfentiefe liegen eher bei f/13 bis f/18 wobei f/16 wohl die am häufigsten eingesetzte Blende für Landschaften mit großer Tiefenschärfe ist.

Raja: Das heißt, wenn ich ein möglichst scharfes Bild haben möchte, wähle ich einfach die höchste Blendenzahl aus?

Beugungsunschärfe

Michael: Nicht ganz, denn wenn du mit dem Blendenwert ans Maximum gehst und Werte von f/18 oder höher auswählst, bekommst du ziemlich schnell wahrscheinlich ein Problem mit der Beugungsunschärfe.

Raja: Beugungsunschärfe?

Michael: Ja, das ist ein optischer Effekt, der durch die Beugung des Lichts entsteht und eine Schärfenminderung zur Folge hat. Von daher solltest du solch hohe Blendenzahlen sehr mit Bedacht einsetzen. Im Bereich bis f/16 sollte aber in der Regel nicht viel schief gehen.

Aberrationsunschärfe

Michael: Am anderen Ende, also bei den kleinen Blendenzahlen, gibt es übrigens ein ähnliches Phänomen, das ebenfalls zu ungewünschten Bildfehlern und Unschärfe führen kann. Hier spricht man dann von Aberrationsunschärfe. Diese kann bei sehr kleinen Blendenwerten auftreten. Andere Aberrationsfehler sind zum Beispiel Farbfehler (chromatische Aberration) oder Bildwölbungsfehler (Tonnen- oder Kissenverzerrung).

In der Regel gehe ich also aus diesen Gründen weder ans Maximum, noch ans Minimum bei den möglichen Blendenwerten. Ein oftmals guter Wert für eine offene Blende (kleine Blendenwerte) ist bei meinem Zoomobjektiv die f/5.6, die ich häufig bei Portrait-, Makro- und Detailaufnahmen mit verschwommenen Hintergrund und sehr selektiver Schärfe verwende.

Welche Blendenzahlen es gibt

Raja: Hmm okay. f/5.6? Dann kann ich den Blendenwert sogar bis auf Zehntel genau einstellen?

Michael: Nicht wirklich. Nur werden einige der kleinen Blendenwerte mit einer Stelle nach dem Komma angegeben. Eine typische Blendenreihe mit üblichen Blendenzahlen sieht wie folgt aus:

1.0 – 1.4 – 2.0 – 2.8 – 4.0 – 5.6 – 8 – 11 – 16 – 22

Die krummen Zahlen entstehen durch die Tatsache, dass die Blendenöffnung ein Kreis ist. Die jeweils nächst größere Blendenzahl lässt halb so viel Licht durch bzw. die jeweils nächst kleinere Zahl doppelt so viel Licht wie die vorherige. Durch die Form des Kreises berechnet sich die nächst größere Blendenzahl durch Multiplikation mit dem Faktor √2.

Beispiel: Die nächst größere Blendenzahl nach 4.0 berechnet sich aus: 4.0 * √2 = 5,657 also rund 5.6. Die nächste ergibt sich dann aus 5.657 * √2 = 8 und so weiter.

Die Blendenzahl selbst hat übrigens keine Einheit. Das liegt daran, dass sie einem Verhältnis entspricht – nämlich dem Verhältnis von Blendenöffnung zur Brennweite. Der Durchmesser einer Blende geteilt durch die Brennweite verhält sich genauso wie die Zahl 1 geteilt durch die Blendenzahl. Sprich, bei Blende 1 ist die Öffnung so groß wie die Brennweite. Wenn dagegen an deinem Objektiv die Blendenzahl 8 eingestellt ist, so hat die Blendenöffnung einen Durchmesser, der 1/8 der Brennweite entspricht.

Beispiel: Bei Blende f/8 und einer Brennweite von 24 mm entspricht die Blendenöffnung also einem Kreis mit einem Durchmesser von  24 mm / 8 = 3 mm.

Manchmal werden die Blendenzahlen aber auch noch mit halben Blendenwerten oder in Drittelschritten angebenen. So entstehen die krummen Werte.

Raja: Puh, das klingt aber verdammt kompliziert.

Michael: Keine Sorge, du brauchst ja nichts selbst zu berechnen. Du musst einfach nur wissen, dass du je größer du den Blendenwert wählst, du um so mehr Tiefenschärfe im Bild erhälst. Es gibt aber eine Sache, die dich vielleicht wirklich verwirren wird. Zumindest ging mir das am Anfang oft so.

Zusammenhang Blendenöffnung und Blendenzahl

Raja: So? Was denn?

Michael: Je größer die Blendenzahl, desto kleiner die Blendenöffnung! Das verwechseln viele Einsteiger gern am Anfang. Eine Offenblende (maximale Öffnung der Blende) entspricht also der kleinsten Blendenzahl (z.B. f/1.4). Bei einer Blende mit hoher Blendenzahl (z.B. f/22) spricht man von geschlossener Blende.

Raja: Das ist ja bescheuert. Wie soll ich mir das denn merken?

Michael: Versuche dir einfach folgendes einzuprägen:

kleine Blendenöffnung = wenig Licht = viel Schärfe = große Blendenzahl
große Blendenöffnung = viel Licht = wenig Schärfe = kleine Blendenzahl

 

Fotografie Cheat Sheet Blende und Zeitautomatik AV

 

Abblenden und aufblenden

Michael: Dementsprechend spricht man beim Verkleinern (Schließen) der Blendenöffnung auch vom Abblenden, denn es kann weniger Licht durch die Blendenöffnung eintreten. Das Bild wird dunkler, bekommt aber mehr Tiefenschärfe. Mit Aufblenden bezeichnet man entsprechend umgekehrt das Vergrößern der Blendenöffnung – sprich, es gelangt mehr Licht auf den Sensor wodurch das Bild heller wird, aber gleichzeitig sinkt auch die Tiefenschärfe.

Ist im Grunde genommen wie beim Autofahren. Kommt dir ein Fahrzeug mit hellem Fernlicht entgegen, dann blendet es ab, um dich nicht zu blenden. Sprich, dir strahlt nun weniger Licht entgegen. Willst du dagegen als Autofahrer mehr sehen, so blendest du mit Fernlicht auf, bekommst so also mehr Licht und somit ein helleres Bild. So merke ich mir das zumindest immer.

Die Abblendtaste

Raja: Hmm, das ist gut. Aber woher weiß ich denn, ob mein Bild genau die Schärfe besitzt, die ich gern hätte, sprich, ob ich aufblenden oder abblenden muss? Im Sucher sehe ich ja immer alles gleich scharf?!

Michael: Das stimmt. Aber es gibt eine Taste an deiner Kamera, mit der du das ändern kannst – nämlich die Abblendtaste.

Raja: Abblendtaste? Hat das was mit Abblenden zu tun?

Michael: Hat es! Wenn du durch deinen Sucher schaust, siehst du immer das gleiche klare, helle Bild. Es entsteht, weil die Kamera mit einer „Offenblendmessung“ arbeitet, was dir das hellstmögliche Sucherbild gewährleistet.

Um nun aber zu überprüfen, wie die Schärfe auf deinem späteren Bild wirklich verläuft, kannst du die Abblendtaste drücken. Dann schließt die Kamera auf die Arbeitsblende, mit der auch das Foto aufgenommen wird. Die Abblendtaste besitzt also quasi eine Kontrollfunktion. Die Kamera zeigt dir bei gedrückter Abblendtaste im Sucher das Bild nun so, wie es deiner aktuellen Blendeneinstellung entspricht. Je geschlossener die Blende, desto dunkler allerdings auch das Sucherbild. Das musst du in dem Moment einfach gedanklich ausblenden und ignorieren. Versuche, dich einfach auf die Schärfenverteilung im Sucherbild zu konzentrieren.

Raja: Oh, das klingt praktisch! Wo finde ich denn die Abblendtaste?

Michael: In der Regel befindet sie sich bei Canon unterhalb der Objektiventriegelungs-Taste. Auch im Fall deiner EOS 760D ist das so. Stell mal eine Blendenzahl von f/16 ein und probiere die Abblendtaste aus.

Abblendtaste an der Canon EOS 760D

Raja stellt über das Q-Menü die Blende auf den Wert 11, schaut durch den Sucher, fokussiert und betätigt die Abblendtaste.

Raja: Hmm, das Bild ist ganz schön dunkel. Ich sehe zwar einen Unterschied in der Tiefenschärfe, aber so richtig geholfen ist mir damit nicht, wenn ich kaum was erkenne.

Michael: Kann ich gut verstehen. Soll ich dir was verraten? Die Abblendtaste brauchst du gar nicht wirklich.

Raja: Hö? Warum das?

Michael: Viel einfacher ist es, einfach ein Bild aufzunehmen und dann am Display unter zu Hilfe nehmen des Zooms zu betrachten und zu beurteilen. Dank digitalem Zeitalter ist das ja kein Problem. Der Vorteil – das aufgenommene Bild ist zusätzlich korrekt belichtet, so dass du auch wirklich gut beurteilen kannst, ob die Schärfe so sitzt, wie du dir das vorstellst. Ist meiner Meinung nach viel einfacher und schneller, als mit der Abblendtaste zu arbeiten.

Raja: Verstehe. Die Abblendtaste kann man also benutzen, muss man aber nicht.

Michael: Exakt.

Tipps zum Einsatz der Zeitautomatik

Raja: Ok, ich werde versuchen, mir das zu merken. Aber mal Theorie beiseite. Womit fotografiere ich denn nun am besten in der Stadt?

Michael: Das ist natürlich Geschmackssache. Ich habe in der Stadt bei 90% meiner Fotos den AV Mode aktiviert. Eine sehr gute Brennweite ist für mich bei meinem Objektiv die f/11, die ich meist standardmäßig nutze. Erst wenn es mir in der Bildkomposition bewusst auf einen stärker verwischten Hintergrund ankommt oder ich ein bestimmtes Motiv mehr in den Fokus setzen und hervorheben möchte, gehe ich auf einen kleineren Blendenwert wie z.B. f/5.6.

Andersherum – wenn ich eine Skyline, ein Panorama oder eine größere Szene komplett mit hoher Tiefenschärfe in allem Bilddteilen scharf aufnehmen möchte, dann gehe ich auf f/13 oder f/16, also eine geschlossenere Blende. Und im Zweifel nehme ich ein Motiv einfach mit verschiedenen Einstellungen auf und schaue mir im Nachhinein in Ruhe am PC die Aufnahme aus, deren Einstellung mir am Besten gefällt.

Raja: Ok, also f/11 als Blende für alles und dann je nach gewünschter Schärfentiefe entweder einen höheren oder niedrigeren Wert wählen?!

Michael: Sozusagen, wobei du mit der Blende f/11 natürlich aufpassen musst, welches Objektiv du drauf hast.

Optimale Blende

Raja: Wie meinst du das?

Michael: Nun, ich nutze gern und oft die Blende f/11 aus zwei Gründen. Zum einen gibt mir dieser Wert in der Regel ausreichend scharfe Bilder, weshalb ich ihn der ebenfalls oft genutzten Blende von f/8 vorziehe, zum anderen hat mein Zoom Objektiv bei genau dieser Blende die beste Abbildungsleistung.

Raja: Beste Abbildungsleistung? Heißt das, Zoomobjektive sind nicht bei jeder Blendeneinstellung „gleich gut“?

Michael: Ganz genau. Für die meisten Zoom-Objektive gilt, dass bei zweimaligem Abblenden die beste Abbildungsleistung liegt.

Ich geb dir dafür mal ein Beispiel:

Wenn du ein Canon EF-S 18-135mm 1:3.5-5.6 nutzt und eine Brennweite von 30 mm eingestellt hast, dann ist deine minimale Blende die f/4.0. Zwei Blendenstufen Abblenden bedeutet dann also f/8 (einmal Abblenden entspricht der f/5.6). Heißt, bei etwa Blende f/8 hat dein Objektiv bei der ausgewählten Brennweite die potentiell beste Abbildungsleistung. Zumindest als grobe Daumenregel kannst du dir das so merken. Man spricht dann von der optimalen Blende.

Natürlich steckt der Teufel auch hier wieder im Detail. In dem Zusammenhang gibt es nämlich noch zwei Begriffe: die förderliche Blende und die kritische Blende. Aber ich schlage vor, das stellen wir mal noch zurück. Im Moment solltest du einfach wissen, dass jedes Objektiv eine optimale Blende hat, bei der die Abbildungsleistung am größten ist. Alles andere überlassen wir erstmal den Erbsenzählern im Labor, einverstanden?

Raja: Sehr gute Idee! Ich mag Erbsen ohnehin nicht! Gibt es noch etwas, was ich abgesehen von der Abbildungsleistung bei Objektiven beachten muss?

Michael: Gibt es. Die Qualität eines guten Objektives erkennst du oft an seiner minimalen Blende, der Offenblende, was gleichzeitig der Lichtstärke des Objektivs entspricht. Je kleiner die Offenblende ist, desto lichtstärker ist dein Objektiv. Leider bedingt das aber auch eine größere und komplexe Objektivkonstruktion, wodurch Objektive nicht nur größer und schwerer, sondern in der Regel auch teurer werden.

Raja: Ist also wie alles im Leben – je besser, desto teurer?!

Michael: Zumindest in diesem Aspekt – ja.

Raja: Wow, da habe ich heute wieder echt viel gelernt. Ich glaube, das muss ich jetzt erstmal alles verarbeiten.

Michael: Ja, das glaube ich. Weißt du, was dir dabei helfen wird?

Raja: Nein. Was denn?

Michael: Ein paar Aufgaben, mit denen du dieses Wissen vertiefen und anwenden kannst. Denn Fotografieren lernst du vor allem durch eines: durch Fotografieren! Meiner Erfahrung nach kannst du noch so viele Bücher lesen. Egal wie gut sie sind, sie ersetzen nicht deine eigene Erfahrung, die du nur durch Üben erlangen kannst. Erst wenn du Dinge selbst ausprobierst, wirst du ein entsprechendes Gefühl dafür bekommen.

Raja: Du willst mir jetzt doch nicht etwa Hausaufgaben geben?

Michael: Doch, genau das.

*Raja seufzt theatralisch*.

Raja: Na gut, dann schieß mal los!

Michael: Ok, hier die Aufgaben …

 

Übungen zur Zeitautomatik

  1. Such dir ein markantes Objekt (z.B ein Baum in der Landschaft), fokussiere und fotografiere es im AV Modus mit unterschiedlichen Blendenwerten. Achte darauf, wie sich die Schärfe im Bild – vor allem im Hintergrund – ändert.
  2. Fotografiere bei deinem nächsten Besuch in einer Stadt mal ein paar interessante Dinge wie ein Denkmal, ein Brunnen oder eine Statue sowohl mit Blende f/5.6, als auch Blende f/11 und Blende f/16. Schau dir die Bilder später an und achte darauf, bei welcher Blende dein fotografiertes Hauptmotiv besonders gut zur Geltung kommt.
  3. Stelle an deiner Kamera einen festen ISO Wert von 100 ein und fotografiere aus der Hand im AV Programm bei trübem Wetter oder am Abend eine weite Landschaft unter Verwendung eines hohen Blendenwertes. Was fällt dir auf? Ist dein aufgenommenes Foto tatsächlich knackig scharf?

 

Zusammenfassung

Raja notiert …

  • AV heißt bei Canon die Zeitautomatik.
  • In der Zeitautomatik bestimme ich die Blende, die Kamera berechnet den Rest.
  • Je höher der Blendenwert, desto höher die Tiefenschärfe.
  • Mit kleinen Blendenwerte gelingt ein unscharfer Hintergrund hinter einem scharf dargestellten Vordergrund.
  • Je kleiner der Blendenwert, desto heller das Bild bei gleicher Aufnahmedauer.
  • Offenblende bedeutet den kleinsten Blendenwert einzustellen.
  • Abblenden meint das Erhöhen des Blendenwertes , um mehr Tiefenschärfe zu erhalten.
  • Zu hohe Blendenwerte führen zur ungewollten Beugungsunschärfe.
  • Zu niedrige Blendenwerte können Aberrationsunschärfe nach sich ziehen.
  • Die optimale Blende mit der besten Abbilungsleistung liegt oft zwei Blendenstufen über der minimalen Blende .
  • Eine typische Reihe aus Blendenzahlen lautet: 2.0 – 2.8 – 4.0 – 5.6 – 8 – 11 – 16 – 22.
  • Die jeweils nächstgrößere Blendenzahl lässt nur noch halb so viel Licht durch die nun weiter geschlossene Blendenöffnung.
  • Übungen nerven, helfen aber.

 

Fotografie Tipps mit Raja Reiselust - Blende und Zeitautomatik

 

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