In diesem Artikel beschäftige ich mich mit der Frage, wie viel Fotobearbeitung erlaubt bzw. sinnvoll ist und warum ich finde, dass man über diese ultimative Wahrheit so überhaupt nicht streiten kann!
Übersicht
Alcatraz
Nachfolgend habe ich drei kurze Texte über Alcatraz für dich, die jeweils mit einem Bild illustriert sind. Ohne viel vorweg zu nehmen, möchte ich das erst einmal einfach mal auf dich wirken lassen.
Variante Nr. 1
Vor rund 50 Jahren gelang es Frank Morris und seinen 2 Begleitern im wahrscheinlich einzigen, erfolgreichen Fluchtversuch von Alcatraz zu entfliehen. Bis dahin galt das Gefängnis als ausbruchssicher. Aber gelang die Flucht bei Nacht und Nebel wirklich? Das konnte bis heute niemand eindeutig beweisen oder widerlegen. Viel spricht allerdings dafür, dass die Flucht tatsächlich gelang …
Variante Nr. 2
Am Morgen unseres zweiten Tages in San Francisco standen wir schon früh auf, um die berühmte Gefängnisinsel Alcatraz zu besuchen. Der Nebel hing schwer über der Bucht, die Sicht war eher schlecht als recht. Trotzdem konnten wir deutlich das Hauptgebäude und den davor stehenden Leuchtturm erkennen. Ein weiteres Gebäude rechts von den beiden schien jedoch nur noch eine Ruine zu sein …
Variante Nr. 3
Alcatraz umweht schon seit je her ein Hauch von Mystik. Legenden wurden dort geboren und ranken sich bis heute um Schwerverbrecher, Ausbruchsversuche und harte Kerle. Selbst Geistergeschichten machen immer wieder die Runde. Angeblich sollen einige der Gefangenen bis heute als Geister durch die Hallen des einstigen Gefängnisses streifen. Ein unheimlicher Gedanke, oder nicht?! …
Fällt dir etwas auf – abgesehen davon, dass die Texte natürlich rein fiktiv sind? Klar, offensichtlich musste hier drei Mal das gleiche Bild herhalten. Es wurde jedoch sehr unterschiedlich von mir bearbeitet. Im ersten Fall habe ich auf eine SW Fotobearbeitung zurückgegriffen, im zweiten Fall einfach auf das unbearbeitete JPEG, wie es aus der Kamera kam und im dritten Fall mittels Filtern einen Hauch von Twilight ins Bild gewoben.
Welches der Bilder ist nun aber „DAS einzig korrekt bearbeitete Bild“?
Lässt sich das so einfach sagen?
Ich denke, nicht!
Jede Bearbeitung für sich hatte seinen Sinn. Es gibt kein „richtig“ und kein „falsch“ in meinen Augen!
Wie viel Fotobearbeitung ist erlaubt?
Erlaubt ist, was gefällt und was der Intention oder der Bildaussage bzw. dem umgebenden Kontext dient!
Das ist jedenfalls meine klare Meinung zu dem Thema.
Umso erstaunter bin ich immer wieder, wenn ich Diskussionen um das Thema verfolge, wo sich Leute teils hitzige Wortgefechte liefern, wie viel Nachbearbeitung denn nun ein Foto haben darf bzw. vertragen kann. Dabei ist die Antwort meiner Meinung nach ganz eindeutig und einfach: Alles geht, nichts muss! Es gibt gute Gründe für jede Art der Bearbeitung oder eben auch dafür, ein Foto gar nicht zu bearbeiten. Es läuft letztendlich immer nur darauf hinaus: Nämlich auf das, was der Fotograf bzw. derjenige, der das Foto nutzt und veröffentlicht damit ausdrücken oder illustrieren möchte.
Eine ultimative Wahrheit gibt es dabei einfach nicht!
Ich halte jegliche Meinungsäußerung, die jemand anderem sagen / vorschreiben möchte, seine Art wäre „falsch“ oder „unecht“ oder „verzerrend“ für kompletten Blödsinn und völlig überflüssig! Denn ich kann nur für einen einzigen Menschen mit Sicherheit sagen, ob seine Art mit Fotos und der Fotobearbeitung umzugehen richtig ist oder nicht – für mich selbst! Eine Diskussion ob bspw. Reisebilder überhaupt nachbearbeitet werden dürfen / sollten / müssen ist einfach nur Quark. Das muss doch bitte jeder Autor / Blogger / Fotograf selbst für sich entscheiden. Denn letztlich ist die Fotobearbeitung nur ein Stilmittel von vielen, um die Intention eines Textes, eine Bildaussage oder eines umgebenden Kontexts zu unterstützen.
Weitere Fragen kurz und knapp beantwortet
Die Frage aufgeworfen, hat übrigens Thomas von reisen-fotografie.de im Rahmen einer Blogparade. Dort finden sich auch ein paar Fragen zur Anregung, die ich der Vollständigkeit halber trotzdem auch noch beantworten möchte:
Bearbeitest du selber Bilder?
Ja, ausnahmslos jedes Bild wird einer Bearbeitung unterzogen.
Wie intensiv bearbeitest du Bilder?
95% bekommen eine schnelle, standardisierte Nachbearbeitung, aber bei einigen wenigen, besonderen Bildern stecke ich auch schon mal eine halbe Stunde oder mehr in ein einziges Bild.
Wo sind für dich Grenzen bei der Bearbeitung – hast du NoGos?
Meine Grenze ist mein eigener Geschmack und mein Bauchgefühl.
Siehst du eine Grenze zwischen dokumentarischen Bildern und Kunst?
Klar, aber diese ist schwer zu definieren. Wann welche Art des Bildes angebracht ist, hängt letztendlich vom jeweiligen Kontext ab.
Wo ist für dich die Grenze vom Foto zum Composing?
Werden (fremde) Bildteile hinzugefügt, ist es für mich ein Composing. Das Entfernen kleinerer „Unschönheiten“ ist für mich kein Composing.
Wo fängt bei dir die Bildmanipulation an?
Schon bei der Aufnahme! .. nämlich durch Wahl von Standort, Uhrzeit, Motiv und Kameraeinstellungen.
Nutzt du das RAW-Format oder lieber „fast“ fertige Bilder in JPG?
Unfertig sind für mich beide Varianten. Die meisten Bilder entwickle ich aus dem JPEG Format, weil das in der Regel völlig ausreichend ist und schneller geht. Wenn die Details und die Qualität nicht ausreichen, dann greife ich auf das RAW Format zurück.
Betrachtest du gern Bilder, die vielleicht nicht der Realität entsprechen oder hast du es lieber natürlich?
Ich mag beides!
Arbeitest du auch mit Montagen oder stempelst störende Dinge in Bildern weg?
Ersteres eigentlich nie, zweiteres kann schon mal vorkommen. Allerdings nur, wenn es auch ohne großen Aufwand machbar ist, wie zB ein störender Ast, der ins Bild hängt o.ä.
Veränderst du bewusst Farben oder nutzt du nur die im Bild vorhandenen?
Auch das variiert. Allerdings benutze ich so gut wie nie Color-Overlays oder Umfärbungen. Eher schon hebe ich einfach nur die Sättigung an oder verschiebe bei einem abendlichen Himmel die Farben etwas im Farbton.
Ist meine Sicht auf die Dinge die einzig richtige und unbestreitbar? Natürlich nicht! Es ist einfach nur meine Art mit Fotos und deren Bearbeitung umzugehen. Nicht mehr und nicht weniger. Punkt.
Und wie siehst du das? Gibt es „den heiligen Gral der Fotobearbeitung“ oder ist erlaubt, was gefällt?
Ja – Deine Meinung teile ich auch – Bearbeitung – im kreativen Bereich ja – auf jeden Fall – Deine Idee mit Alcatraz ist genial! Mir gefallen auch alle 3 Versionen – jede auf ihre Weise!
LG
Birgit
Vielen lieben Dank, Birgit! Freut mich sehr, dass ich mit dieser Meinung nicht allein bin.
Hallo Michael,
ich finde deinen Ansatz mit den drei Fotos von Alcatraz und den Geschichten dazu auch sehr gut. Dein Fazit sehe ich allerdings etwas differenzierter.
Du hast prinzipiell Recht, selbst bei Reisefotos mit dokumentarischem Charakter, die also das tatsächlich Gesehene wiederspiegeln sollen, ist das Bild neben der verwendeten Technik auch so stark von der subjektiven Erinnerung abhängig, die obendrein emotional eingefärbt sein wird, dass es keine ultimative Wahrheit geben kann. Der Schlussfolgerung, dass ALLES erlaubt ist, kann ich trotzdem nicht ganz folgen.
Bei einem Reisebericht sollte dem Leser nichts „vorgekaugelt“ werden, dass er so nicht erleben kann und der Fotograf so auch nicht gesehen hat. Dabei wird es immer eine Grauzone und kontroverse Meinungen geben.
Anders sieht es bei fiktiven Geschichten, Anekdoten, Gedanken aus.
Hallo Klaus,
Vielen Dank für deine Meinung. 2 Anmerkungen möchte ich dazu gern machen:
1. Ich denke schon, dass „ALLES“ erlaubt es – natürlich immer unter der Prämisse, die ich auch betont habe: Es muss der Bildaussage, dem Kontext und dem, was der Autor / Fotograf / Blogger ausdrücken möchte, dienen. Dazu stehe ich nach wie vor – auch wenn ich natürlich weiß, wie du das meinst.
2. Beim Thema „vorgaukeln“ widerspreche ich dir ein wenig. Denke, hier weichen unsere Meinungen einfach ab. Wenn ich ein Reisebüro bin, finde ich, ist es sehr wohl valide, Bilder „aufzuhübschen“ etc. Übertreibt man es dabei, wird sich natürlich der Buchende hinterher beschweren – keine Frage. Ob das also sinnvoll ist, sei mal dahin gestellt. „Erlaubt“ ist es trotzdem meiner Meinung nach allemal. Eine Bearbeitung kann einem gefallen oder nicht. Ein Urteil, ob die Bearbeitung „erlaubt“ oder „korrekt“ ist, steht meiner Meinung nach niemanden zu.
Und was heißt schon „vorgaukeln“? Ich bearbeite meine Bilder oft auch einfach nach dem, wie ich einen bestimmten Moment / eine Szene in Erinnerung habe. Dass die Realität womöglich anders ausgesehen hat, ist mir in dem Moment egal. Ich möchte in Bildern auch Gefühle und Erinnerungen verarbeiten – nicht um jemand anderen zu täuschen, sondern einfach nur für mich! Weil es mir hilft, beim Betrachten meine eigenen Erinnerungen wieder zu wecken. Reiseberichte schreibe ich in erster Linie nämlich für mich selbst.
Im Übrigen glaube ich, dass Reiseberichte mit unbearbeiteten Fotos, die ausschließlich die Realität 1:1 eins aufzeigen, weniger gern gelesen werden und auch deutlich weniger dazu inspirieren, ein Land zu besuchen, um sich ein eigenes Bild zu machen. Ob das also immer der richtige Weg ist, ist meiner Meinung nach durchaus in Frage zu stellen. Aber ich verstehe durchaus, was du meinst, stimme dir ja sogar zu – und trotzdem bleibe ich dabei: Jeder darf bearbeiten und zeigen, was und wie er es möchte – eben seinem eigenen Interesse und dem, was er ausdrücken möchte, entsprechend.
PS Kleine Ergänzung, um noch etwas klar zu stellen, bevor das falsch rüber kommt: Dass man meiner Meinung nach als Reiseblogger immer ehrlich und authentisch berichtet (was Text und Fotos umfasst), steht für mich natürlich völlig außer Frage!.. Siehe bspw. meinen heute veröffentlichten Artikel zum Thema Safa Park in Dubai. ;-) ..Aber das ist durchaus ein zu differenzierendes Thema, finde ich ;-)
Sensationell. Der Ansatz mit den drei Bildern und den Geschichten ist genial. Besser kann man eigentlich nicht zeigen, dass eigentlich jede Bearbeitung sogar einen Sinn machen kann, je nach Verwendung.
Aber auch die folgenden Aussagen in Deinem Beitrag kann ich nur abnicken.
Vielen Dank für diesen tollen Beitrag zu unserer Blogparade.
LG Thomas
Vielen Dank, Thomas. Denke mal, unsere Meinung deckt sich da ohnehin in weiten Teilen. Denn auch deinen Artikel zu dem Thema fand ich sehr gut!
Eine echt schöne Idee für eine Blogparade!
Lg Michael