In der heutigen Folge unterhalte ich mich mit Raja über das Thema Bildrauschen und was der ISO-Wert einer Digitalkamera damit zu tun hat. Du erfährst, dass Bildrauschen manchmal einfach notwendig ist und worauf du beim Einstellen des optimalen ISO-Wertes achten solltest.
Übersicht
Verkrisselte Bilder
Michael: Hallo Raja! Na, wie war’s in Venedig?
Raja: Hallo Michael! Super cool war’s. Ich hab jede Menge Fotos gemacht und auch schon voll viele Bilder davon bearbeitet!
Michael: Klasse, klingt, als hättest du reichlich Beute gemacht.
Raja: Kann man so sagen. Allerdings ist mir beim Bearbeiten etwas aufgefallen, was ich nicht ganz verstehe.
Michael: So? Was denn?
Raja: Nun, das mit der Blende und der Belichtungsdauer hab ich inzwischen schon ganz gut im Griff. Bei den meisten Bildern passt das mit der Schärfe, so wie ich mir das vorstelle. Allerdings habe ich bemerkt, dass einige der Innenaufnahmen, die ich im Dogenpalast gemacht habe, irgendwie total verkrisselt sind. Hast du eine Idee, was das sein kann?
Michael: Hab ich. Du meinst vermutlich Bildrauschen?!
Verrauschtes Bild
Bildrauschen
Raja: Bildrauschen? Was ist das?
Michael: Als Bildrauschen bezeichnet man in der Digitalfotografie die Verschlechterung des digitalen aufgenommenen Bildes durch Störungen, die mit dem eigentlichen Bildinhalt nichts zu tun haben. Je nachdem wie stark das Bildrauschen ist, hast du einige oder viele Pixel auf der Aufnahme, die in Farbe oder Helligkeit vom eigentlichen Bild abweichen. Das Bild sieht dann „verkrisselt“ bzw. „verrauscht“ aus.
Raja: Verstehe. Und was kann ich dagegen tun? Ist das ein Defekt meiner Kamera?
Michael: Kein Defekt, nein. Oder wie die Informatiker gern sagen: „It’s not a bug, it’s a feature!“. Das Bildrauschen wird nämlich über einen weiteren wichtigen Aufnahme-Parameter beeinflusst – dem ISO Wert. Und dieser gehört quasi zum „heiligen Dreigestirn“ jeder Aufnahme. Weißt du noch, welches die anderen beiden sind?
Raja: Blende und Belichtungszeit?
Michael: Ganz genau. Im Grunde musst du diese 3 Parameter bei jeder Aufnahme festlegen, um exakt zu bestimmen, wie du ein Bild aufnehmen möchtest. Meistens priorisierst du dabei allerdings entweder die Blende (AV Mode) oder die Belichtungszeit (TV Mode). Den dritten Wert, den ISO Wert, legst du relativ selten explizit fest, weil deine Kamera in der Regel schlau genug ist, den besten aka niedrigst möglichen ISO Wert zu wählen. Das ergibt dann das so genannte Belichtungsdreieck – quasi das „heilige Dreigestirn der Fotografie“.
Michael: Erinnerst du dich noch an unser ersten Gespräch, in dem ich dir ein paar grundlegende Einstellungen vorgeschlagen habe? U.a. haben wir da den AUTO-ISO Bereich festgelegt. Dieser Bereich gibt der Kamera vor, welchen ISO Wert sie minimal oder maximal automatisch setzen darf. Je niedriger der ISO Wert, desto geringer das Bildrauschen.
Raja: Hmm, dann versteh ich aber nicht, warum ich nicht immer automatisch mit dem niedrigsten ISO Wert arbeiten sollte. Das Bildrauschen will ich ja schließlich gar nicht haben?!
Michael: Im Grunde hast du natürlich recht. Idealerweise fotografierst du immer mit dem niedrigsten ISO Wert, um das Bildrauschen komplett zu vermeiden. Leider bist du in der Praxis jedoch in der Regel gezwungen, Bildrauschen bis zu einem gewissen Grad in Kauf zu nehmen – zumindest, so lange du ohne Stativ fotografierst.
Entsinnst du dich an unsere Diskussion mit der Belichtungszeit? Es gibt bei Freihand-Aufnahmen immer eine maximale Belichtungszeit, unter der du bleiben solltest, um unscharfen Bildern aus den Weg zu gehen. Was machst du aber, wenn du bei Einhaltung dieser Zeit unterbelichtete Bilder produzierst?
Raja: Hmm, ich könnte die Blende weiter öffnen, um mehr Licht auf den Sensor zu lassen?
Michael: Das stimmt. Aber angenommen du hast die Blende schon maximal geöffnet oder angenommen, du möchtest möglichst viel Tiefenschärfe im Bild haben, weshalb du die Blende nicht weiter öffnen möchtest?
Raja: Hmm, dann hab ich wohl ein Problem! Keine Ahnung, was ich dann machen soll.
ISO-Wert
Michael: Nun, der Ausweg ist der ISO Wert. Denn mit einem höheren ISO Wert bekommst du zwar mehr Bildrauschen, gleichzeitig erkaufst du dir mit ihm aber auch weniger benötigtes Licht, denn der ISO Wert steht für die Lichtempfindlichkeit des Sensors. Wenn du diese erhöhst, brauchst du weniger Licht, um dein Foto korrekt zu belichten – allerdings zu Lasten von zusätzlichem Bildrauschen. Je höher der ISO Wert, desto höher das Bildrauschen, aber auch desto geringer die benötigte Lichtmenge, um korrekt zu belichten.
Raja: Ah, ich verstehe. Dann hat meine Kamera bei den Innenaufnahmen das fehlende Licht mit einem höheren ISO Wert ausgeglichen, während ich Blende und Belichtungszeit vorgegeben habe?
Einstellen des ISO Wertes
Michael: Ja, das vermute ich. Du kannst das aber verhindern, indem du entweder den ISO Wert selbst konkret festlegst oder aber die ISO Automatik stärker begrenzt. Den ISO Wert kannst du in jedem Modus selbst bestimmen. Einfach über die Q Taste ins Schnellstartmenü gehen und dort den Wert entweder vorgeben oder auf AUTO belassen.
Konfigurieren der AUTO-ISO Funktion
Michael: Welche Werte deine Kamera im Falle der AUTO-ISO Option nutzen darf, legst du bequem im Menü fest. Dort gibst du eine untere und eine obere Grenze an. Ich würde dir empfehlen, die obere Grenze bei der Canon EOS 760D auf maximal 800 zu setzen. Die untere Grenze setzt du auf den niedrigsten Wert (100). Werte darüber würde ich je nach Bedarf nur manuell einstellen.
Raja: Warum das?
Michael: Bilder mit hohem ISO Wert und somit in Kauf genommenem Bildrauschen sollten immer eine bewusste Entscheidung sein. Deine Kamera wird im Zweifel die Parameter ohne Rücksicht auf Details so setzen, dass ein korrekt belichtetes Bild entsteht. Da Bildrauschen an einer Canon APS-C aber ab ISO Wert 1.600 durchaus relevant wird und sich auf Details negativ auswirken kann, würde ich diese Entscheidung immer bewusst treffen.
Michael: Bei einer Vollformatkamera kannst du übrigens den AUTO-ISO Wert durchaus noch höher setzen, denn Vollformatsensoren zeigen von Haus aus weniger Bildrauschen. Umgekehrt musst du bei einer Kompaktkamera mit kleinem Sensor noch mehr aufpassen. Denn je kleiner der Sensor, desto schlechter in der Regel das Rauschverhalten.
Einfluss des ISO Wertes auf das Bildrauschen
Raja: Welche ISO Werte würdest du mir denn wann empfehlen zu nehmen?
Michael: Bis ISO 800 kannst du völlig unbedenklich immer gehen, wenn die Lichtverhältnisse es erfordern. Ab ISO 1.600 können dir wie gesagt unter Umständen schon ein paar Details in deinen Bildern verloren gehen. Ab ISO 3.200 wird’s dann meiner Meinung nach richtig kniffelig. Solche Werte würde ich nur noch wählen, wenn die Alternative ist, gar kein Bild zu haben. Mir persönlich ist das Rauschen schon bei ISO 6.400 deutlich zu hoch. Vollformatsensoren sind da natürlich im Vorteil. Sie zeigen in der Regel geringeres Rauschen im Vergleich zum APS-C Sensor deiner Kamera. Bei Kompaktkameras mit noch kleineren Sensoren sieht das natürlich noch einmal anders aus. Hier kann schon ISO 800 deutlich zu hoch sein.
Letztendlich gilt jedoch an jeder Kamera:
Den ISO-Wert immer so wählen, dass er so niedrig wie nur möglich,
aber so groß wie eben nötig ist!
Michael: Fotografieren unter schwierigen Bedingungen oder suboptimalem Licht heißt immer, den besten Kompromiss zu finden. In der Regel wirst du entweder Blende oder Belichtungszeit priorisieren und den ISO Wert einfach so wählen, dass du für die gewünschte Kombination der ersten beiden Parameter gerade noch ein korrekt belichtetes Bild erhältst. Und wenn du mit dem ISO Wert und somit dem Bildrauschen an die Grenze dessen kommst, was du für akzeptabel hältst, dann hilft halt nur noch die Blende weiter zu öffnen oder die Belichtungszeit zu verlängern.
Raja: Und wenn auch das nicht mehr geht?
Michael: Nun, dann schnappst du dir entweder ein Stativ, das dir längere Belichtungszeiten bzw. den niedrigsten ISO Wert erlaubt oder sorgst für zusätzliches Licht!
Raja: Ähm, wie das denn?
Michael: Nun, du könntest zum Beispiel deinen Kamera internen Blitz dazu schalten.
Raja: Ah stimmt. Hmm, auf die Idee hätte ich ja auch selbst kommen können.
Michael: Gräm dich nicht. Gibt ja durchaus auch gute Gründe das nicht zu tun. Ich selbst mag Blitzlicht eigentlich gar nicht. In der Regel zerstört Blitz die aktuelle Lichtstimmung und wirkt oft kalt und steril. Mit Bedacht eingesetzt kann er jedoch die notwendige Aufhellung bieten, die es dir erlaubt, auch mit niedrigen ISO-Werten unter schlechten Lichtbedingungen gute Bilder aufzunehmen. Solange die Lichtstimmung kein wesentlicher Bestandteil deiner Bildkomposition ist, macht das durchaus Sinn. Und gerade in Innenräumen und bei Portraitaufnahmen kann der Blitz sehr hilfreich sein.
Raja: Wenn man ihn denn nutzen darf.
Michael: Du meinst in öffentlichen Gebäuden und Museen?
Raja: Ja, genau.
Michael: Stimmt, da hast du Recht. Nicht überall ist Blitzlicht erlaubt. Gerade auch in Aquarien, Zoos und Ausstellungen ist es oftmals nicht gestattet, Blitzlicht zu benutzen. Da musst du dich als Fotografierender einfach von Anfang an entsprechend gut informieren.
Raja: Mal nochmal zu meinen verrauschten Bildern aus Venedig. Da kann ich jetzt nichts mehr retten, oder?
Michael: Kommt drauf an. Heutige Fotobearbeitungssoftware ist in der Regel so mächtig, dass gerade das Bildrauschen bis zu einem gewissen Grad noch sehr gut in den Griff zu bekommen ist. Du musst ein wenig aufpassen, die Bilder nicht zu sehr zu entrauschen, weil du sonst Details vor allem in den besonders hellen oder dunklen Bildanteilen verlierst, aber grundsätzlich kannst du sehr viel Bildrauschen im Nachhinein noch entfernen. Eine solche Funktion sollte es in jedem guten Bildbearbeitungsprogramm geben. Ich persönlich nutze dazu gern den Topaz DeNoise Filter*, der sich in alle gängigen Programme integrieren lässt.
Michael: Weißt du übrigens, wann ich grundsätzlich sogar auch bei gutem Wetter meine Kamera auf ISO 400-800 stelle?
Raja: Nein, wann denn?
Michael: Im Zoo!
Raja: Im Zoo?
Michael: Genau. Dort möchte ich nämlich möglichst kurze Belichtungszeiten bei bereits weit geöffneter Blende erhalten. Tiere bewegen sich oft unverhofft, mal schnell, mal langsam. Da sind kurze Belichtungszeiten besonders wichtig. Und selbst ISO 800 fällt bei solchen Tierportraits kaum ins Gewicht, weil sich bei diesem Wert Bilder noch sehr gut entrauschen lassen. Und im Vergleich zu ISO 100 habe ich somit 3 Blendenstufen „mehr Luft“. Würde ich die Kamera auf AUTO-ISO belassen, würde sie vermutlich oftmals eher zu kurze Belichtungszeiten vorgeben, weil bei dem schönen Wetter der hohe ISO Wert an sich gar nicht nötig ist.
Fotografiert mit ISO 500
Raja: Guter Tipp. Das merk ich mir. Gibt es noch mehr so Richtwerte?
Michael: Klar. So grob über dem Daumen kannst du dir folgende Richtwerte merken:
- Sonnenschein: ISO 100-200.
- Bewölktes Wetter ISO 200-400.
- Nebel, dunkle Bewölkung, Schatten: ISO 400-800.
- Dämmerung, dunkle Innenräume: ISO 800.
- Nachts: ISO 1.600-3.200.
Michael: Allerdings würde ich dir vorerst auch weiterhin empfehlen, einfach die AUTO-ISO Funktion im Bereich von 100-800 selbst entscheiden zu lassen. Bei modernen Kameras kann man da nicht viel falsch machen.
Bei der Gelegenheit möchte ich dir gleich noch einen Merksatz mitgeben:
Besser verrauschte als verwackelte Bilder aufnehmen!
Michael: Wenn du Freihand fotografierst, also bei der Belichtungszeit anhand der Freihandgrenze limitiert bist, dann schraube lieber den ISO Wert höher, als mit der Belichtungszeit über die Freihandgrenze zu gehen. Denn Rauschen kannst du in der Regel noch in der Nachbearbeitung korrigieren. Verwackelte Bilder dagegen sind kaum zu retten und ein Fall für den digitalen Papierkorb.
Raja: Notiert!
Michael: Prima. Hast du noch weitere Fragen zum Bildrauschen?
Raja: Ja, eine vielleicht noch. Ist das Rauschen für einen bestimmten ISO Wert „immer gleich stark“?
Michael: Gute Frage. Nein, ist es nicht. Je länger die Belichtungszeit, desto stärker tritt das Bildrauschen auf. Das merkst du bspw. daran, dass gerade bei Nachtaufnahmen, wo du sehr lange Belichtungszeiten nutzt, das Rauschen besonders auffällig wird. Außerdem steigt hier zusätzlich die Gefahr für das Auftreten von Hotpixeln, wie du ja bereits gelernt hast.
Raja: Ah, stimmt. Kann ich denn etwas gegen das Rauschen bei Langzeitbelichtungen tun?
Michael: Nun, du kannst die Funktion „Rauschunterdrückung bei Langzeitaufnahmen“ an deiner Kamera aktivieren. Diese erzeugt eine zusätzliche Aufnahme, eine sogenannte Dunkelbelichtung, die als Referenz benutzt wird, um das Rauschen in der eigentlichen Aufnahme wieder herauszurechnen. Allerdings ist die Funktion durchaus mit Vorsicht zu genießen. Zum einen kann sie dir einiges an Details verhageln, zum anderen verdoppelt sie quasi die Aufnahmedauer, weil ja zwei Bilder aufgenommen werden.
Raja: Verstehe. Ich glaube, das Thema Nachtfotografie musst du mir ohnehin nochmal in Ruhe erklären.
Michael: Mach ich gern. Dann belassen wir es für heute erstmal dabei?
Raja: Machen wir. Ich muss jetzt erstmal das Dreigestirn – Blende – Aufnahmedauer – ISO-Wert richtig verinnerlichen und damit noch ein wenig experimentieren.
Michael: Mach das. Dann mal viel Spaß und bis zum nächsten Mal!
Zusammenfassung
Raja notiert …
- Je höher der ISO Wert, desto höher das Bildrauschen.
- Je höher der ISO Wert, desto empfindlicher der Sensor, desto weniger Licht wird für korrekte Belichtung benötigt.
- ISO-Wert immer so hoch wie nötig, aber gleichzeitig so niedrig wie möglich einstellen.
- Auf Stativ mit niedrigstem ISO Wert arbeiten.
- Auto-ISO nicht zu hoch einstellen, hohe ISO-Werte nur bewusst einsetzen.
- Beim Fotografieren von Tieren ISO 400-800 verwenden.
- Höhere Temperaturen (Langzeitaufnahmen) führen zu stärkerem Bildrauschen.
- Blende, Aufnahmedauer und ISO-Wert bilden das Belichtungsdreieck.
- Besser verrauschte Bilder als verwackelte Bilder.
Alle bisherigen Interviews aus der Artikel-Serie findest du hier
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