Fotografieren ohne Stativ – ist das eine gute Idee? Ich sage: „Ja, natĂĽrlich!“ Darf man als ambitionierter Fotograf, der gern Landschaften und Natur fotografiert, so etwas sagen? Keine Ahnung, aber ich steh dazu. Warum, wieso, weshalb und welche Tipps es fĂĽr das Fotografieren auch ohne Stativ gibt, erfährst du in diesem Artikel.

Fotografieren ohne Stativ

Fotografieren ohne Stativ – Landschaft unter BerĂĽcksichtigung der hyperfokalen Distanz

Warum ich ungern mit Stativ fotografiere

Bei fast jedem ernsthaften und guten Naturfotografen gehört das Stativ beim Fotografieren dazu wie das Amen in der Kirche. Die Gründe dafür sind relativ offensichtlich. Mehr Schärfe, das Nutzen längerer Belichtungszeiten, einfachere Nachtfotografie oder auch Langzeitbelichtungen mit Graufiltern sind nur einige der Argumente, die klar für das Stativ sprechen.

Und trotzdem möchte ich heute eine Lanze für das Fotografieren ohne Stativ brechen.

Ich reise verdammt gern und ich liebe es, dabei Fotos zu machen. Natürlich habe ich (bisher) auch immer ein Stativ im Gepäck gehabt. Ich habe es sogar mit auf meine Reise in die USA geschleppt. Damals hatte ich sogar nicht mal ein vernünftiges Reisestativ, sondern hab einfach mein großes Stativ mitgenommen. Das passte geradeso in den Koffer und hat eine Menge Platz weggenommen.

Und jetzt rate mal, wie oft ich es in drei Wochen Rundreise benutzt habe? Täglich? Einmal die Woche? Ich verrate es dir. Ich habe es sage und schreibe ein einziges Mal bei einem Sonnenaufgang am Grand Canyon genutzt! Ein einziges Mal!

Hätte ich bessere Fotos gemacht, wenn ich es öfter genutzt hätte? Natürlich!

Aber warum habe ich genau das dann nicht getan?

Nun, die Antwort ist ebenso einfach wie simpel – ich hatte entweder keine Zeit, keine Lust oder nicht die Notwendigkeit, es zu tun. Hauptsächlich war es natĂĽrlich Bequemlichkeit, ganz klar. Und trotzdem habe ich kein schlechtes Gewissen.

Warum?

Nun, ich reise zusammen mit meiner Familie. Susi & Lucas nehmen ohnehin schon verdammt viel Rücksicht auf mich und meine Leidenschaft fürs Fotografieren. Sie warten, wenn ich mal wieder minutenlang das gleiche Motiv knipse. Sie meckern nicht, wenn ich auf Autofahrten immer wieder anhalte und raus springe, um ein paar schnelle Fotos zu machen. Sie sind geduldig und akzeptieren es, wenn ich noch rasch hier und dorthin muss, um auch von diesem oder jenem Stein, Busch, Strauch oder Schaf noch ein Foto machen möchte.

Was glaubst du, wie sie sich freuen wĂĽrden, wenn ich nun jedes Mal mein Stativ auspacken, es aufbauen, in Stellung bringen und schlieĂźlich benutzen wĂĽrde?

Aber davon mal ganz abgesehen – wäre es die Lösung, dann einfach allein zu reisen, um mehr Zeit fĂĽrs Fotografieren zu haben?

Nö, ganz sicher nicht. Ich liebe es, mit meiner Familie unterwegs zu sein, Eindrücke, Erlebnisse und Landschaften mit ihnen gemeinsam zu erleben. Das Aufzuwiegen, schafft auch nicht das beste und schärfste Foto der Welt!

Aber es gibt noch mehr GrĂĽnde, warum ich nicht gern mit Stativ fotografiere.

Es ist mir unangenehm! Ständig wird man komisch beguckt und schräg angesprochen. Ging mir gerade vor einer Weile wieder so, als ich abends in Freiburg mit Stativ unterwegs war, um Nachtaufnahmen von meiner wunderschönen Heimatstadt machen zu können. Ich wurde innerhalb von einer knappen Stunde ungefähr 5 Mal angesprochen. Vom harmlosen „Sind Sie Fotograf?“ und „FĂĽr welche Zeitung arbeiten Sie denn“ bis hin zu „Ey, hast du ĂĽberhaupt die Erlaubnis, hier zu fotografieren? Soll ich dir eine besorgen?“ war alles dabei. Nicht schön. Unangenehm. Nervig.

Aber auch die aufzuwendende Zeit nehme ich mir in der Regel nicht gern. Auf Reisen mache ich Hunderte, manchmal Tausende Fotos pro Tag. Na klar habe ich dabei massig Ausschuss. Na klar, ist das Arbeit, diese im Anschluss durchzuschauen und auszusortieren. Aber die Alternative, vielleicht nur einen Bruchteil der Fotos zu machen, weil ich ein Stativ benutze, mir mehr Zeit nehme, ist zumindest fĂĽr mich keine Lösung. Ich liebe es einfach drauf zu halten. Mal schräg, mal nah, mal einfach so. Hier ein Foto, da eine schnelle Serie, was soll’s!

Ein Hoch auf das digitale Zeitalter!!

Würden wir heute noch analog fotografieren, würde ich wahrscheinlich anders denken und auch völlig anders fotografieren. Ich weiß noch, wie ich als Schüler auf Klassenfahrten zwei oder gar drei 36er Filme voll fotografiert habe (in nur einer Woche!). OMG! So viele Fotos? Damals waren das wirklich echt viele Fotos!

Im Vergleich dazu, sind die Zahlen meiner heute aufgenommenen Fotos jedoch astronomisch. Aus 3 Wochen USA habe ich rund 20.000 Fotos mitgebracht. Auf unserer Mittelmeer Kreuzfahrt waren es ca. 6.000. In Irland habe ich rund 12.000 Aufnahmen gemacht. Wahnsinn, oder?

Aber soll ich dir sagen, warum? Na ganz einfach, weil ich es kann! Weil es kein Problem ist und weil es mir Spaß macht, einfach drauf zu halten, wann immer ich möchte.

Ich liebe es, den Moment festzuhalten. Genau die Szene auf ein Foto zu bannen, die ich gerade in diesem Moment sehe. Langwieriges Planen eines Bildes, stundenlang auf die richtige Lichtstimmung zu warten oder Millimeter genau mit einer auf das Stativ montierten Kamera das Bild perfekt zu gestalten sind weniger mein Ding. Dass ich es dadurch wohl nie ins National Geographics schaffen werde, ist mir dabei durchaus bewusst. Aber darum geht es mir auch gar nicht. Ich liebe einfach das Fotografieren an sich.

Klar, versuche ich auch immer bessere Bilder zu produzieren, aber ich behaupte, das geht in der Regel auch ohne Stativ!

Was es da alles fĂĽr Tipps und Tricks gibt, verrate ich dir nachfolgend

Tipps zum Fotografieren ohne Stativ

Fotografieren ohne Stativ

Fester Halt auch ohne Stativ – Die Arme verschränken und die Kamera auf dem Unterarm ablegen

  • Bei schlechtem Licht setze die ISO Einstellung hinauf oder fotografiere mit offenerer Blende (kleine Zahlen)
  • Ausatmen beim Auslösen
  • Die Serienbildfunktion nutzen (meist wird das zweite oder dritte Bild deutlich weniger verwackeln)
  • Wenn du dir ĂĽber die richtige Belichtungszeit im Unklaren bist, mache Reihenaufnahmen mit +/- einer Blendenstufe
  • Wenn du in Räumen, Kirchen und Gebäuden an die Grenze der akzeptablen Belichtungszeit kommst, fotografiere im manuellen oder im TV Modus und lege die kĂĽrzeste Belichtungszeit fest, die gerade noch unverwackelte Aufnahmen liefert (bei mir ist das in der Regel 1/20stel Sekunde)
    • Beachte aber die Faustregel: Die Belichtungszeit sollte die Brennweite nicht ĂĽbersteigen – sprich, bei einer Brennweite von 50 mm sollte die Belichtungszeit nicht länger als 1/50 Sekunde betragen
    • Das bedeutet, wenn du näher ans Motiv gehst, somit eine kleine Brennweite benötigst, hast du mehr Spielraum bei der Belichtungszeit
  • Nutze den Bildstabilisator
  • Gebe der Kamera einen festen Halt, in dem …
    • du dich an eine Wand oder ein Geländer lehnst
    • du den straff unter dem Arm gespannten Kamera-Gurt nutzt, um der an deine Stirn gepressten Kamera zusätzlichen Halt zu geben
    • du die Kamera auf deinen linken Unterarm ablegst, nachdem du die Arme entsprechend verschränkt hast
    • du Mauern, Tische, Felsen oder andere Objekte deiner Umgebung nutzt, um die Kamera stabil abzustellen
  • Lege dir lichtstärkere Objektive zu, um kĂĽrzere Belichtungszeiten nutzen zu können
  • Habe auf Reisen einen Bohnensack dabei, auf dem du schnell schon mal deine Kamera ablegen und ausrichten kannst

Fotografieren ohne Stativ

Fester Halt auch ohne Stativ – Gurt unter dem Arm einklemmen und die Kamera an die Stirn ziehen

Was ein Objektiv mit Bildstabilisator fĂĽr dich tun kann

Ich bin absoluter Fan von Objektiven mit Bildstabilisatoren. Fast alle meine Objektive haben einen und im Schnitt bringt mir dieser etwa 2-4 Stufen längere Belichtungszeiten bei gleicher Schärfe. Das Ganze funktioniert mit kleinen Gyrosensoren, die feinste Bewegungen und Vibrationen erfassen und gesteuert durch einen Microcomputer bis zu einem gewissen Grad kompensieren. Tolle Sache, wenn man wie ich gern ohne Stativ fotografiert.

Wann sollte man aber trotzdem ein Stativ benutzen?

Natürlich schicke auch ich jetzt aber trotzdem mein Stativ nicht in die Rente. Denn es gibt selbstverständlich Situationen und Motive, die sich einfach mit einem Stativ am besten oder auch nur mit einem Stativ realisieren lassen. Wer zum Beispiel herrlich weiches Wasser auf einer Langzeitaufnahme jenseits des Sekundenbereiches festhalten möchte, kommt um ein Stativ nicht herum. Selbst wenn man auf den Graufilter verzichtet und den Langzeiteffekt mittels einzeln aufgenommener Serienbilder nachträglich am PC erzeugt (Stichwort Stapelverarbeitung) sollte das lieber mit einem Stativ vornehmen.

Weitere Gebiete / Themen, die ohne Stativ einfach so gut wie unmöglich sind:

  • Aufnahme von Sternspuren am nächtlichen Himmel
  • Lichtmalerei (schon mal nachts mit einer Taschenlampe vor der Kamera während einer Langzeitaufnahme herum gemalt?!)
  • Eben bereits erwähnte Langzeitaufnahmen von FlĂĽssen, Wasserfällen, Seen und Meeren
  • Nachtaufnahmen bei sehr wenig Licht
Fotografieren mit Stativ

Fotografieren mit Stativ – FlieĂźendes Gewässer

Tipps zum Fotografieren mit Stativ

  • Auf festen, stabilen Stand achten.
  • Bildstabilisator deaktivieren.
  • Fernauslöser, Spiegelvorauslösung und/oder 2 Sekunden-Automatik benutzen.
  • Bei Wind eventuell ein Gewicht unten ins Stativ hängen.
  • Wenn vorhanden LiveView nutzen, um den Fokuspunkt korrekt einzustellen.
  • Kleinstmögliche ISO Einstellung verwenden.
  • Auf waagerechte Ausrichtung achten.

Allerdings gibt es auch viele Themen, die zwar allgemein oft und gern ein Stativ als Voraussetzung aber zumindest idealerweise unterstĂĽtzend fordern, denen ich aber durchaus widersprechen wĂĽrde. Auf Manfrotto habe ich zum Beispiel eine Liste von 10 Dingen gefunden, die angeblich nicht ohne Stativ funktionieren. Ich behaupte, mindestens 6 dieser Dinge kann man sehr wohl und ohne groĂźe Probleme ohne Stativ aufnehmen!

Fotografieren ohne Stativ

Fotografieren ohne Stativ – Las Vegas bei Nacht

Im Detail:

  • Nachtaufnahmen: Sind sehr wohl ohne Stativ möglich. Weitwinkel, offene Blende, ISO Wert hoch, dann sind tolle Nachtaufnahmen möglich. Erst recht in GroĂźstädten wie Las Vegas. Ich habe hier fast ausschlieĂźlich ohne Stativ fotografiert!
  • Mond: Viele meiner eigenen Mondaufnahmen entstanden ohne Stativ. NatĂĽrlich kommt das aber auch auf die gewĂĽnschte Auflösung und Vergrößerung an. Aber sowohl Vollmond, als auch der Mond zur blauen Stunde lassen sich sehr einfach auch aus der Hand fotografieren.
  • Gruppenfotos: Serienbildfunktion an und dann ein paar Sekunden Dauerfeuer. Dann hat man garantiert auch das passende Bild dabei. Allerdings gebe ich zu, wenn der Fotograf mit aufs Bild soll, wird’s schwierig.
  • HDR Fotografie: Einige Kamera, wie auch meine 7D Mark II haben bereits HDR Modi eingebaut, aber auch sonst ist das heutzutage auch aus der Hand problemlos möglich. Bildverarbeitungssoftware ist inzwischen dermaĂźen gut, dass auch kleine Abweichungen problemlos herausgerechnet werden können.
  • Kreative Kamerabewegungen: Hab ich schon oft aus der Hand gemacht. Klar, geht mit Stativ einfacher, aber mit einer ruhigen Hand, einer sicheren Haltung und etwas Ăśbung gelingen auch tolle – ich nenn’s mal – gezoomte Bilder aus der Hand.
  • Videos: Klar, mit Stativ wirken sie professioneller, ruhiger und besser. Aber auch hier gibt es bereits tolle Videoverarbeitungs-Software, die leichte Wackler bereits heraus rechnet. Ăśbung ist ein weiterer Faktor und manchmal ist es sogar ein gutes und erwĂĽnschtes Stilmittel, wenn man aus der Hand filmt und das auch dem Video auch sieht. Es kann Aufnahmen authentischer und echter machen.

Klar, für die meisten Fälle findet sich ein Für und Wider. Trotzdem bin ich der Meinung, dass Übung und Mut zur Stativlosigkeit absolut eine Chance verdient haben.

Fotografieren ohne Stativ

Fotografieren ohne Stativ – Mond zur blauen Stunde

Einen weiteren guten Artikel, der Gründe zur Nutzung von Stativen aufzeigt habe ich auf kwerfeldein.de entdeckt. Dieser ist allerdings bereits von 2007. Mich würde ja sehr interessieren, ob Martin Grommel auch heute noch zu diesem Artikel steht. Denn gerade das Argument mit dem ISO Wert, das ich immer wieder auch an anderer Stelle lese, zieht bei guten Kameras heute kaum noch, bin ich der Meinung. Auch Abendlichtaufnahmen oder Reihenaufnahmen mit unterschiedlichen Belichtungen sind aus der Hand durchaus bei sehr ansprechender Qualität möglich.

Aber wie gesagt, natürlich kommt es immer darauf an, ob man wirklich das Maximum an Qualität herausholen möchte oder muss. Ich für meinen Teil muss das nicht. Ich drucke meine Fotos weder in überdimensionaler Postergröße aus, noch kommt es mir wirklich auf das letzte Stückchen Schärfe an, das ich beim Fotografieren aus der Hand vielleicht verliere.

Ich fotografiere einfach nur wahnsinnig gern. Und ohne Stativ macht es mir in 95% aller Fälle einfach mehr Spaß. So einfach ist das.

 

Welche Stative benutze ich?

Wenn ich dann doch mal ein Stativ benutze, dann ist es meistens mein Reisestativ von Rollei*. Auf Ausflügen in der Umgebung haben ich gern mein etwas größeres Stativ Cullmann ALPHA 2500* dabei. Und manchmal ist es auch einfach nur ein kleiner Bohnensack*.

Linkempfehlungen

Mehr Foto-Tipps findest du hier in meiner Ăśbersicht.

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