In Corona Zeiten sind weltweit fast alle Reise-Anstrengungen zum Erliegen gekommen. Flieger bleiben am Boden. Grenzen sind geschlossen. Für uns bedeutet das in erster Linie, einfach für eine Weile aufs Reisen zu verzichten. Aber wie geht es eigentlich der Tourismus Branche und vor allem all den kleinen Reiseveranstaltern damit? Um das herauszufinden, habe ich mich mit Alexandra von Wanderlust Africa ausführlich über die aktuelle Situation im Allgemeinen und Reisen nach Afrika im Speziellen unterhalten. 

 

Hallo Alexandra,

Vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst für dieses Interview. Magst du dich und Wanderlust Africa kurz meinen Lesern vorstellen?

Sehr gerne Michael. Ich bin Alexandra Katzer, Inhaberin von Wanderlust Africa. Wie der Name schon sagt, geht es mit mir nach Afrika! Allerdings nicht zum Wandern – außer es ist der ausdrückliche Wunsch des Kunden. 

Da ich fast 20 Jahre meines Lebens im englischsprachigem Ausland gelebt habe, bedeutet für mich Wanderlust die Sehnsucht zum Reisen, neue Kulturen und Länder zu entdecken und mit unvergesslichen Eindrücken nach Hause kommen.

Aus diesem Grund gibt es bei mir keine vorgeschnürten Reisepakete; für jede Anfrage nehme ich mir Zeit und erfrage in einem persönlichen Telefonat individuelle Reisewünsche und Vorstellungen. Basierend auf diesen Angaben, erstelle ich ein persönliches Angebot ganz nach dem Motto: Sie wünschen. Ich plane.

Und diese persönliche Betreuung zieht sich bis zur Rückkehr von der Reise durch. Während der Reise rufe ich immer wieder bei den Unterkünften an, um sicherzustellen, dass es den Gästen gut geht. Bei meinen Gästen melde ich mich per WhatsApp und bin auch während der Reise erreichbar. Viele Gäste senden mir Bilder während ihrer Reise; das macht besonders viele Freude, da ich mich so fühle als ob ich dabei bin. Ja und nach der Reise gibt es noch ein Feedback-Gespräch.

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Was liebst du an Afrika so sehr?

Ich habe den Kontinent Afrika auf einem dreimonatigen Sabbatical durch West Afrika kennengelernt! Damals habe ich noch in Australien gelebt. Nach meiner Rückkehr wusste ich, ich muss zurück! Dann landete ich in eSwatini (ehemals Swaziland), wo ich als Volunteer gearbeitet habe und schließlich entdeckte ich, nach einer sechsmonatigen Reise von Kapstadt bis Nairobi, Ostafrika. In Kenia habe ich dann mehrere Jahre gelebt und war als Reiseberaterin für das südliche und östliche Afrika bei einem deutschen Reiseveranstalter tätig. Es gibt so viele Dinge, die ich an Afrika liebe und jedes Land hat seinen eigenen Reiz. Aber für mich ist Afrika einfach ein inspirierender Kontinent. Ein Ort unberührter Natur. Ein Ort voller Naturwunder. Ein Ort der all meine Sinne berührt. Ich fühle mich lebendig. Die Zeit scheint still zu stehen; zumindest tickt sie langsamer als bei uns. Ich lerne immer wieder aufs Neue mich auf das Wesentliche in meinem Leben zu konzentrieren und dankbar zu sein für die Dinge, die ich habe. Ich lebe einfach im Hier und Jetzt.

Wie geht es dir mit Covid-19 aktuell?

Hmmm, dazu fällt mir einfach nur ein Wort ein, aber das möchte ich deinen Lesern nicht antun, haha. Wanderlust Africa hatte bessere Zeiten. Der große Vorteil jedoch ist, dass ich als Online-Veranstalter weder Vollzeit-Angestellte, Fuhrpark, Gewerberäume noch Kreditrückzahlungen habe. Aus diesem Grund kann ich mich momentan (noch) gut über Wasser halten. Natürlich unterstütze ich meine Gäste so gut es geht und bin über jede Umbuchung dankbar! Denn Stornierungen tun finanziell sehr weh, zumal es ja auch nicht meine Schuld ist, dass ein kleiner unsichtbarer Virus, die gesamte Welt zum Erliegen gebracht hat.

Du bist Reiseveranstalterin – spezialisiert auf Afrika – in welchem Moment hast du realisiert, was die sich ausbreitende Covid-19 Pandemie für dich und dein Business bedeutet? Gab es einen „Oh-Shit“-Moment“, in dem dir sofort die ganze Tragweite bewusst wurde?

Wenn ich ehrlich bin, dann dachte ich am Anfang eigentlich nur: Here we go again! Die gleiche Panik wie bei der Schweinegrippe. Ich war davon überzeugt, dass der ganze Medienhype nach ein paar Wochen wieder verblasst und ein neues Thema im Mittelpunkt steht! Falsch gedacht! Dass es doch was größeres ist, wurde mir erst bewusst, als es zum Lockdown kam, Grenzen geschlossen wurden und Reiseverbote ausgesprochen wurden.

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Wie sahen die letzten 3 Monate in deinem Business aus? Werden aktuell überhaupt noch Reisen gebucht?

Man könnte meinen, dass es ja eigentlich sehr ruhig sein müsste, da es null neue Anfragen, geschweige denn Buchungen gibt. Aber ich bin eigentlich genau so busy wie vorher, mit Umbuchungen, Stornierungen und Gäste auf dem laufenden halten, wie sich die Lage im südlichen und östlichen Afrika entwickelt. Wenn man noch bedenkt, dass man diese Arbeit umsonst macht, dann könnte man schon die Lust an allem verlieren. Aber ich bin zuversichtlich und glaube fest daran, dass es spätestens ab Januar wieder aufwärts geht!

Wie haben deine Kunden, die bereits Reisen gebucht haben, auf die weltweite Reisewarnung reagiert? Konntest du Lösungen für sie finden?

Ich bin meinen Kunden sehr dankbar! Die meisten meiner Gäste waren super kooperativ, verständnisvoll und entspannt. Bis zum jetzigen Zeitpunkt haben fast alle Gäste umgebucht. Es gab eine Reisegruppe, welche sich für eine Stornierung entschieden hat. Das ist finanziell natürlich ein großer Einschnitt, zumal ich alle Partner vor Ort bereits voll bezahlt habe! Die Zahlungen von meinen Partnern zurückzufordern, finde ich ziemlich vermessen, wenn man bedenkt, dass diese ja auch bereits diese Einnahmen für Gehälter, laufende Betriebskosten etc. verwendet haben. Ich versuche meine Gäste zu unterstützen und auch – im Vergleich zu den großen Veranstaltern – rechtlich meinen Pflichten nachkomme. Alles andere kann ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, aber dass wir Reiseveranstalter in voller Haftung sind, obwohl es weltweit einen totalen Ausnahmezustand gibt, finde ich einfach absolut unerträglich.

Ich nehme an, dein Business als privater Reiseveranstalter ist von jetzt auf gleich fast vollständig zusammen gebrochen. Wie gehst du damit um? Schaffst du es, optimistisch zu bleiben?

Wenn man sich selbständig macht, dann braucht man von Grund auf eine gewisse Risikobereitschaft und einen gesunden Optimismus, denn es kann immer wieder mal was schief gehen! Und ich habe einfach gelernt, dass es im Leben immer weiter geht. Schließt sich eine Türe, öffnet sich eine neue. Dieses Vertrauen musst du einfach haben. Momentan überlege ich mir, was ich noch im Zusammenhang mit Afrika anbieten kann, um mein Portfolio zu erweitern. Ich habe einige Ideen und es bleibt spannend. Aufgeben gibt´s nicht! Alleine der Gedanke, dass ich wieder täglich in ein Großraumbüro rennen müsste, ist Anreiz genug für meine Gehirnzellen nach neuen Wegen zu suchen und offen zu bleiben. 

Kannst du uns einen kleinen Überblick geben, wie sich die Pandemie in Afrika ausbreitet und was sie für die Menschen dort bedeutet?

Im Prinzip haben alle Länder im südlichen und östlichen Afrika mit den gleichen Maßnahmen reagiert wie Europa auch. Grenzen wurden geschlossen, Ausgehverbote verhängt und Tests durchgeführt. Namibia und Botswana zum Beispiel haben die Situation sehr gut im Griff, es gibt null Todesfälle und eine geringe Anzahl an Infektionen. Tansania ist ganz mutig und hat die Grenzen für den Tourismus wieder geöffnet. Für Südafrika ist eine Grenzöffnung im September im Gespräch. Fakt ist, dass die wirtschaftliche Lage aufgrund des Lockdowns in Afrika noch einschneidender ist als bei uns; denn in Afrika gibt es keinerlei finanzielle Unterstützung seitens der Regierung. Und Menschen, die ihre Familien durch einen Job im Tourismusbereich ernähren konnten, sind im Prinzip auf sich alleine gestellt. Eine Situation, die sich viele bei uns wahrscheinlich gar nicht vorstellen können.

Wie schätzt du die Hilfeleistungen des Staates für Reiseveranstalter und Solo-Unternehmer wie dich ein? Gibt es Unterstützung? Ist diese ausreichend?

Sagen wir mal so, ich bin dankbar, dass es eine Corona-Soforthilfe für kleine- und mittelständische Betriebe bzw. Solo-Unternehmen gab. Allerdings ist diese ein Tropfen auf den heißen Stein! Insbesondere die Tourismusbranche überlebt nicht durch einen dreimonatigen Zuschuss, der uns aus der Insolvenz retten soll. Wir laufen bereits seit fünf Monaten auf dem Trockenen und die Verlängerung des Reiseverbots für das nicht-europäische Ausland bis Ende August, trägt nicht dazu bei, dass sich unsere Situation verändert.

Falls nicht, was würdest du dir als Unterstützung seitens des Staates wünschen?

Die Entscheidung der EU-Kommission und der deutschen Regierung gegen die Gutscheinlösung finde ich unverantwortlich und enttäuschend! Die EU Pauschalreiserichtlinien wurden erstellt, um den Verbraucher vor fehlender Sorgfalt bzw. Fehlverhalten der Veranstalter zu schützen! Allerdings wurde keine Regelung im Falle einer Pandemie getroffen. Der Verbraucher ist weiterhin geschützt, aber wir Veranstalter sind in der vollen Haftung. Das ist unfair, ungerecht und absolut nicht nachvollziehbar. Noch mehr macht es mich wütend, dass es wiederum kleine und mittlere Veranstalter am meisten trifft, denn die großen Konzerne drücken sich einfach vor Ihrer Verantwortung und profitieren – aufgrund von Lobbyisten – noch von Staatszuschüssen. Eine verkehrte Welt! Im Prinzip ist die Gutschein-Lösung eine gute Sache für alle Beteiligten; die Veranstalter können sich dadurch über Wasser halten und die Gäste verlieren nicht Ihren Anspruch auf eine unvergessliche Safari durch Afrika.

Was glaubst du, wie wird Covid-19 das Reisen nach Afrika künftig ändern? Oder glaubst du, dass sich im nächsten Jahr alles wieder normalisieren wird?

Ich kann mir gut vorstellen, dass die Zahlen nach unten gehen. Allerdings bin ich fest davon überzeugt, dass Gäste, die schon immer mit Freude und ohne Sorgen nach Afrika gereist sind, auch weiterhin reisen. In manchen von uns steckt einfach ein Abenteuer-Gen und davon hält uns auch ein Virus nicht ab. Gäste, die sich bereits während der Reiseplanung tausend Gedanken zu Malaria und TseTse-Fliegen machen, werden höchstwahrscheinlich nicht mehr reisen und einen Urlaub in Deutschland bzw. Europa bevorzugen.

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Falls es noch in diesem Jahr wieder Afrika Reisen geben wird – was denkst du, wie werden diese im Gegensatz zur Vergangenheit ablaufen? Wird es Einschränkungen geben? Auf was müssen sich deine Kunden da einstellen?

Ja, das ist eine sehr gute Frage. Ich hoffe immer noch darauf, dass ab Oktober Safaris in Afrika wieder möglich sind. Die Anzeichen dafür stehen momentan sehr gut; Namibia zum Beispiel plant eine einmonatige Testaktion ab Mitte Juli. Es sollen Gäste aus ausgewählten Ländern einreisen dürfen; allerdings unter der Bedingung einen negativen Covid-19 Test vorweisen zu können, welcher nicht älter als 72 Stunden ist. Weiterhin könnte es zu einer 14-tägigen Quarantäne bei Einreise kommen, was natürlich nicht förderlich ist, dass sich Gäste entschließen ihre Reise anzutreten. Im Prinzip heißt es weiterhin abwarten; abwarten wie sich die deutsche Regierung Ende August entscheidet und abwarten wie sich die einzelnen Länder in Afrika entscheiden. Die Unterkünfte sind auf alle Fälle vorbereitet und haben gezielt ihre Hygiene-Vorschriften und Prozesse überarbeitet und ich bin davon überzeugt, dass sich Gäste hinsichtlich Hygiene vor Ort keine Gedanken machen müssen.

Stichpunkt Versicherung & Gesundheitssysteme. Wir alle wissen, dass die Gesundheitssysteme in afrikanischen Ländern nicht auf dem gleichen Niveau wie in westlichen Ländern sind. Was würdest du Reisenden empfehlen, die vor Ort Erkältungssymptome o.ä. bemerken?

Im Prinzip hab ich da nur einen Rat: Verfalle bitte nicht in Panik! Es könnte ja auch „nur“ Malaria sein oder einfach eine Erkältung! Ich persönlich würde einfach meine Symptome beobachten und wenn ich merke es geht mir täglich schlechter dann zum nächsten Doktor oder Krankenhaus. In Ostafrika ist im Reisepreis immer automatisch eine Flying Doctor Versicherung für Rettungsflüge im Notfall inklusive. In Namibia und Botswana können die Gäste eine solche Versicherung dazu buchen. In Südafrika gibt es ohnehin nicht so weite Distanzen bis zum nächsten Ort, von daher einfach dann den nächsten Arzt oder Krankenhaus aufsuchen.

Wie wichtig ist eine gültige Auslandskrankenversicherung für Reisende nach Afrika? Hast du schon Fälle erlebt, in denen deine Kunden eine Reise aus gesundheitlichen Gründen abbrechen mussten? Wie lief das ab?

Absolut wichtig! Ja, ich hatte schon einige Gäste, die ihre Reise aufgrund von Krankheit nicht antreten konnten. Ein Rücktritt von der Reise aufgrund von Krankheit passiert meist sehr kurzfristig und von daher ist es vollkommen empfehlenswert eine Reiserücktrittsversicherung bereits bei Buchung der Reise abzuschließen. Von meiner Seite aus läuft alles reibungslos. Sobald mir die Erklärung des Gastes vorliegt, storniere ich alle Leistungen vor Ort. Dann erstelle ich eine Storno-Rechnung, die der Gast mit den Original-Buchungsunterlagen bei der Reiserücktrittsversicherung einreichen kann.

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Gibt es etwas, was du Reisenden künftig mit auf dem Weg geben möchtest? Welche Empfehlungen hast du in Zeiten wie diesen für an Afrika Reisen Interessierte?

Bleibt offen. Freut euch auf dieses einmalige Erlebnis. Unterstützt kleine Reiseveranstalter, bei denen ihr nicht nur eine Nummer im System seid, sondern denen es wichtig ist, eine persönliche Beziehung zu euch aufzubauen und die euch auch während eurer Reise begleiten. Bucht keine Billig-Reisen beim Discounter! Es leidet bei solchen Reisen nicht nur das Reise-Erlebnis. Es sollte sich auch jeder einmal fragen, wer denn an dieser Reise noch etwas verdient? Denn den meisten Verlust haben die Menschen vor Ort, bei denen wird der Preis bis aufs Minimum gedrückt. Ich bin auch dafür Preise zu vergleichen. Ich möchte auch nicht über den Tisch gezogen werden. Aber damit zu prahlen, wer die günstigste Reise nach Afrika gebucht hat, ist aus meiner Sicht einfach unmoralisch, denn im Prinzip leiden die Kleinsten in der Kette. Last but not least, gebt Afrika eine Zukunftsperspektive und fangt bereits jetzt an eure Reisen nach Afrika für Frühjahr und Sommer 2021 oder später zu planen. Ich habe mit vielen meiner Partnern vor Ort neue Anzahlungs- bzw. Umbuchungsbedingungen verhandelt, um den Gästen somit eine gewisse Sicherheit zu bieten. Afrika ist bereit und wir freuen uns auf euch!

Liebe Alexandra,

Vielen Dank für die Zeit, die du dir genommen hast, um meine Fragen zu beantworten. Ich wünsche dir vom Herzen, dass du diese Zeit als Reiseveranstalter gut meistern wirst, um auch in Zukunft vielen deiner Kunden den Traum einer unvergesslichen Afrika-Reise erfüllen zu können! Wir jedenfalls freuen uns extrem darauf, nächstes Jahr mit dir als Reiseveranstalter Namibia erkunden zu dürfen! Von unserer tollen, von dir organisierten Reise durch Südafrika zehren wir noch heute.

Dir auch ganz lieben Dank für das Interview Michael und die Möglichkeit, meine Gedanken mit deinen Lesern auszutauschen. Danke auch an dich und deine Familie, dass ihr durch eure Umbuchung die Reisebranche tatkräftig unterstützt. Bleibt gesund und munter!