Auf den Spuren von Hahn und Henne besuchte ich die Zeller Keramik in Zell am Harmersbach. Ich erlebte, wie feine Zeller Keramik hergestellt wird, worauf es ankommt und durfte sogar selbst Hand anlegen, um meine ganz eigene, persönliche Tasse zu verzieren. Außerdem sah ich mich in Zell am Harmersbach um, einem wirklich schönen Städtchen, das viel Spannendes zu bieten hat.
Zeller Geschirr mit Hahn und Henne
Übersicht
Zeller Keramik Manufaktur
Schon als ich den Verkaufsraum der Zeller Keramik in Zell am Harmersbach betrete, entdecke ich sofort Hahn und Henne als Dekor auf dem Geschirr. Von Karl Schöner vor über 118 Jahren anlässlich der Geburt einer seiner Töchter erfunden, ist dieses Dekor weltweit bekannt. Doch auch viele andere Motive fallen mir ins Auge. Hahn und Henne sind zwar tatsächlich das berühmteste, aber bei weitem nicht das einzige spannende Dekor der Zeller Keramik.
Kunstvoll verziertes Porzellan mit Winterlandschaft
Jürgen Roth, der Produktionsleiter des Standortes begrüßt mich wenige Minuten später und nimmt mich mit auf eine spannende Führung durch die Geschichte der Zeller Keramik. Mir war gar nicht bewusst, wie lang und teilweise auch steinig diese war.
Geschichte der Zeller Keramik
Gegründet wurde das Unternehmen offiziell am 22. 10. 1794 von Josef Anton Burger in Zell am Harmersbach. Wurden zunächst Steingut produziert, so spezialisierte man sich ab 1842 auf die Porzellanherstellung in der in der Fabrikstraße ansässigen „Oberen Fabrik“. Nach einer kurzen Blütezeit stürzte das Unternehmen während des Deutsch-Französischen Krieges jedoch in eine Krise, da in der Zeit um 1870 keine Porzellanmasse mehr verfügbar war.
Die ältesten Dekore
- „Favorite“
- „Alt Straßburg“
- „Hahn und Henne“
Die „Obere Fabrik“ wird schließlich an Georg Schmider verkauft, der schon seit 1864 in der sogenannten „Unteren Fabrik“ Keramik herstellte. 1942 wird die Porzellanproduktion der „Oberen Fabrik“ wegen Kohlemangel gänzlich eingestellt. Ende der 1990er Jahre und Anfang der 2000er Jahre belasten Billigimporte aus China immer mehr das Geschäft. Der Versuch, ebenfalls auf Masse zu produzieren, scheitert und stürzt die Zeller Keramik erneut in die Krise. Anfang 2006 wird das Unternehmen von Ralf Müller übernommen und sukzessive wieder auf Handbemalung mit Fokus auf Qualität und Einzigartigkeit umgestellt. Heute arbeiten 34 Mitarbeiter inklusive 6 Azubis in der Zeller Keramik.
Rundgang durch das Unternehmen
Während im ersten Raum historisches, teils wunderschönes Porzellan mit herrlichen Motiven ausgestellt ist, findet sich schon im zweiten Raum der erste tatsächliche Beweis dafür, dass hier noch von Hand hergestellt, bearbeitet und geformt wird. Ein Mitarbeiter taucht Teller Rohlinge in die Glasur und schleift abschließend den Boden der Teller auf einem kleinen Laufband ab, um Rückstände zu entfernen. Um ihn herum stehen Regale voll mit Teller, Tassen und Schüsseln. Auf einer Maschine entdecke ich ein altes Schwarz-Weiß Foto, das die Produktion vor vielen Jahren zeigt.
Teller abschleifen
Bild aus früherer Zeit
Unterschied zwischen Keramik und Steingut
Keramik ist der Oberbegriff für Steingut, Porzellan und verschiedene andere Abstufungen. Die wichtigsten Rohstoffe sind Ton und Quarz. Der Quarzanteil bei Porzellan ist deutlich höher, außerdem wird hier ein weißer, magerer, nicht knetbarer Ton verwendet. Porzellan wird nur durch Pressen bzw. Gießen hergestellt und geht von der Konsistenz her aufgrund des hohen Quarzanteils schon fast ins Glas.
Zeller Keramik reicht qualitätsmäßig schon sehr nah an Porzellan heran, ist aber Steingut. Es ist spülmaschinenfest, mikrowellengeeignet, kantenstabil und wird im zweistufigen Verfahren gebrannt. Die genaue Mischung aus tonigen Erden, weißbrennendem Kaolin, Feldspat, Kalkspat und Quarzsand ist aber natürlich geheim.
Rohlinge im Regal
Im nächsten Raum treffe ich auf Alexandra Lehmann. Sie bereitet die Henkel für die Tassen vor – ein Job, der auf den ersten Blick eintönig und wenig abwechslungsreich erscheint. Doch auf die Frage nach ihrer Tätigkeit beginnt sie freudestrahlend zu erzählen, wie sehr ihr die Arbeit mit dem Rohstoff Ton gefällt und wie angenehm es ist, diesen zu bearbeiten. Das Leuchten ihrer Augen ist nicht gespielt und man sieht, dass dies keine Show, sondern Überzeugung ist.
Schneiden der Henkel für die Tassen
Kleine Helferlein sind erlaubt
Und genau solche Mitarbeiter sucht die Zeller Keramik auch, wie mir Jürgen Roth berichtet. Es ist wichtig, dass die Mitarbeiter Spaß an der handwerklichen Arbeit mit Ton haben, Spaß daran, etwas Besonderes mit eigenen Händen herzustellen und daran, mit diesem tollen Rohstoff zu arbeiten.
Geschirr Rohlinge in Regalen
Zu jeder Station, in jedem Raum hat der Produktionsleiter Spannendes zu berichten. Besonders fasziniert bin ich von der kleinen Vorführung, wie aus einer klobigen Scheibe Ton mittels einer fast 60 Jahre alten, aus der Verschrottung geretteten Maschine in Sekunden Teller geformt werden – und das in einer Art und Weise, indem sie die frühere Formung von Hand gewissermaßen einfach imitiert. Während moderne Maschinen in der Massenproduktion den Ton einfach von oben herab in die Form pressen, setzt der formende Kopf dieser Maschine schräg an – genau wie ein Töpferer das von Hand machen würde, um die feinen Strukturen innerhalb des Tons nicht zu zerstören und den Ton schonend und nachhaltig zu formen.
Auch die nächsten Arbeitsschritte bekomme ich gezeigt und allmählich beginne ich zu verstehen, was das eigentliche Verkaufsargument der Zeller Keramik ist. Hier wird nicht einfach nur schönes Geschirr hergestellt. Nein, hier wird in liebevoller Handarbeit Geschirr und Handwerk gelebt. Besucher, die hier Schritt für Schritt gezeigt bekommen, auf welche Weise das Steingut bearbeitet wird, sind verständlicherweise begeistert und kaufen und erwerben die Ware mit einem ganz anderen, neuen Blick. Keine Massenware aus China, keine Katalog-Ware steht hier zum Verkauf, sondern etwas Spezielles und Besonderes mit viel Tradition. Und genau das bekommt man so eben nicht in einem x-beliebigen Laden. So ist es auch kein Wunder, dass mehr als 50% des Gesamtumsatzes direkt hier im Fabrikverkauf erzielt werden. Eine Zahl, die für viele heutige Firmen unvorstellbar ist.
Mittels Gips werden Gefäße geformt
Wusstest du, dass du echtes Porzellan daran erkennen kannst, dass es sehr dünn ist und du gegen das Licht gehalten deine eigene Hand dahinter hindurchschimmern sehen kannst?!
Henne mal anders
Eine Tasse selbst bemalen
Gerade als ich denke, dass sich die Führung dem Ende nähert, gibt es noch einmal eine besondere Überraschung. Ich darf selbst einmal Hand anlegen und einen Tassen-Rohling verzieren und bemalen. Das erste Brennen bei 1180 Grad Celsius im Ofen hat der Rohling bereits hinter sich. Erst nach dem Bemalen und Glasieren wird ein zweites Mal im Ofen bei dann 1135° C gebrannt.
Das Geschirr wird handbemalt
Ich war nie eine besonders große Leuchte im Zeichnen, trotzdem macht es Spaß, unter fachkundiger Anleitung von Angelika Pfaff selbst einmal eine Tasse zu verzieren. Natürlich lasse ich es mir nicht nehmen, diese auch mit dem berühmten Hahn und seiner Henne zu verzieren. Zu meinem Glück hilft mir dabei eine kleine Schablone, ohne die wohl auch kaum auf dem Original-Geschirr das Motiv so exakt gleich aussehend aufgebracht werden könnte. Alles andere – inklusive Kamm und Kehllappen – wird jedoch von Hand gemalt. Eine Herausforderung, der auch ich mich nun stelle. Zugegeben, ich habe nicht die ruhigen, präzisen Hände der geübten Porzellanmalerin – trotzdem bin ich mit dem Ergebnis recht zufrieden.
Meine eigene Tasse
Mal-Utensilien
Die fertige Tasse wird markiert und – nachdem sie in den nächsten Tagen fertig gebrannt worden ist – sogar direkt zu mir nach Hause versandt. Als ich sie dann auspacke und in Händen halte, überkommt mich ein gewisser Stolz, etwas zu besitzen, das eben nicht anonym aus der Massenherstellung stammt. Denn dieses Einzelstück gibt es nur einmal auf der Welt – und ich selbst habe diese Tasse bemalt!
Die fertige Tasse – ein Unikat!
Erfolgskonzept der Zeller Keramik
Ich glaube, genau diese Kombination aus Handwerk, aus dem Sehen und Erleben, wie das Geschirr hergestellt wird und der Möglichkeit, auch selbst ein Teil der Produktionskette zu sein, macht die Zeller Keramik heute so erfolgreich. Qualität und Erlebnis versus billig produzierter Massenware sind ein Konzept, das funktioniert!
Ich hoffe und vermute, dass Hahn und Henne noch viele Jahre überall auf der Welt von ihrem Ursprung und der feinen Handwerkskunst hier im Schwarzwald künden werden. Egal, ob New York, Tokio oder Paris – Zeller Keramik ist ein Begriff und das ist gut so!
Teller werden glasiert
Rundgang durch Zell am Harmersbach
Nachdem ich nun endlich weiß, wie Hahn und Henne aufs Geschirr kommen, sehe ich mich auch in Zell am Harmersbach noch ein wenig um. Das schöne Städtchen hier im mittleren Schwarzwald hat einiges zu bieten. Ich beginne meinen Rundgang am Stadttor mit den Schwedenkanonen, die angeblich den Schweden im 30jährigen Krieg abgenommen wurden. Stadtführer Herbert Temme verrät mir jedoch, dass die Kanonen laut Prägung 1810 in Rastatt hergestellt worden sind. Aber pssst, das bleibt unter uns!
Schwedenkanonen
Storchenturm
Die Stadtmauer selbst ist 511 Meter lang, 8 Meter hoch und besitzt eine Breite von 1,5 Metern – also kein leicht zu überwindendes Hindernis. Einst musste man hier am Stadttor „3 Batzen“ bezahlen, um in die Stadt zu gelangen. Mit den Einnahmen wurde damals die Bürgerwehr finanziert.
Innenstadt von Zell am Harmersbach
- Als Rodungssiedlung des Klosters Gengenbach gegründet.
- 1139 erste urkundliche Erwähnung als „Cella“ durch Papst Innozenz II.
- 1206 Nennung einer Kirche in Cella.
- 1325 Kloster Gengenbach gründet die Stadt.
- 1362 Beendigung des Baus der Stadtmauer.
- 1545 Karl V. bestätigt die Freiheiten, Rechte und Zölle der Reichsstadt Zell.
- 1643 Franzosen verbrennen Stadtkirche und umliegende Gebäude.
- 1803 Ende der Reichstadtzeit.
- 1837 Franz Josef Ritter von Buß hält als Abgeordneter im Badischen Landtag die berühmte „Fabrikrede“.
- 1899 und 1904 starke Zerstörungen durch Stadtbrände, gefolgt vom Wiederaufbau.
- 1949 erneute Verleihung der Stadtrechte durch Staatspräsident Wohleb.
- 1975 Im Zuge der Gemeidereform in Baden-Württemberg fussionieren Zell a.H., Unterharmersbach, Unterentersbach und Oberentersbach zur neuen Stadt Zell am Harmersbach.
Auf dem Storchenturm sehe ich einen Storch, der nun auch munter vor sich hin klappert. Vorbei am kleinen, aber feinen Storchenturm-Museum geht es weiter zum Marktplatz und schließlich zum Denkmal zu Ehren von Franz Josef Ritter von Buß, dem wohl berühmtesten Einwohner der Stadt.
Joseph von Buß war außergewöhnlich intelligent und studierte u.a. Medzin, Jura und Philosophie. Er engagierte sich stark in der Politik und hielt die erste sozialpolitische Rede (Farbrikrede) vor einem deutschen Parlament. Außerdem war er Professor an der Universität Freiburg
Franz Josef von Buß
Tipp: Hier am zentralen Platz in der Altstadt kann man eine Stunde lang kostenlos einen öffentlichen WLAN Zugang benutzen. Empfand ich als vorbildlich und sehr angenehm. So etwas sollte es viel häufiger in allen Städten geben!
Genau hingeschaut! Nicht alle Fenster sind echt!
Als nächstes bestaune ich entlang der schönen Hauptstraße den Kontrast aus Jugendstil und Fachwerkhäusern. Etwas störend empfinde ich jedoch den recht starken Durchsgangsverkehr – ein Problem, an dem bereits aktiv gearbeitet wird, wie mir Bürgermeister Günter Pfundstein ein wenig später verrät.
Wusstest du, dass Zell am Harmersbach die kleinste Reichsstadt im Heiligen Römischen Reich war?!
Flötenspieler
Etwas versteckt am nördlichen Stadtkern entdecke ich die ehemalige Schlachterei. Ich folge der schmalen Gasse entlang des kleinen Baches und stoße nur rund 100 Meter weiter auf die Wäscherei. Was für eine Kombination. Funktioniert hat das Ganze damals nur, indem – wann immer Schlachtabfälle und Blut in das zur Wäscherei hin fließende Gewässer gekippt wurden – ein lauter Pfiff die Waschfrauen warnte. Diese unterbrachen daraufhin ihre Arbeit, ließen die Abfälle vorbei fließen und setzten erst nach einer kurzen Pause das Waschen fort. Wie hygienisch das war, mag ich mir gar nicht vorstellen. In dem Moment weiß ich meine eigene Waschmaschine daheim sehr zu schätzen!
Am Schlachthaus
Ehemalige Wäscherei
Mein Rundgang führt mich weiter, vorbei an der kleinen Druckerei, wo die Heimatzeitung von Zell am Harmersbach erstellt wird, vorbei an der Kirche bis hin zu dem Gebäude, in dem der alte Rundofen der „Oberen Fabrik“ steht, von dem ich schon einiges gehört habe. Leider kann ich den Ofen selbst nicht besichtigen, erfahre aber, dass hier ein komplett neues Geschirr-Museum entstehen wird, in dessen Rahmen auch der Ofen und das zugehörige Gebäude komplett restauriert werden sollen. Außerdem soll die Keramikfabrik nach Möglichkeit hierher umziehen. Muss ich also in ein paar Jahren noch einmal wieder kommen.
Alter Rundofen
Ich beende diesen schönen Ausflug im Restaurant Bräukeller, wo ich sehr leckere Rehmaultaschen verspeise, bevor ich mich wieder von Zell am Harmersbach verabschiede.
Rehmaultaschen
Fazit
Vor allem der Rundgang durch die Zeller Keramik hat mir außergewöhnlich gut gefallen. Meine selbst verzierte Tasse hat zudem einen Ehrenplatz bei mir daheim erhalten. Geschichte, Handwerk und Tradition zum Anfassen – das und mehr habe ich im schönen Zell am Harmersbach entdecken dürfen. Und was es mit Hahn und Henne auf sich hat, weiß ich nun endlich auch genau.
Mein Tipp: den tollen Genießerpfad „Hahn-und-Henne-Runde“ einfach mit einem Besuch in der Zeller Keramik kombinieren!
Weitere Impressionen aus Zell am Harmersbach
Denkmal
Fachwerkhaus
Häuserfassade
Heimatzeitung
Haus im Jugendstil
Kirche
Skulptur
Zweiköpfiger Adler als Wappen
Wasserspucker
Hinweis: Dieser Artikel entstand in einer Kooperation mit der Schwarzwald Tourismus GmbH und der Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg. Ich bedanke mich vielmals für die Einladung zu dieser Reise. Der Artikel gibt trotzdem ausschließlich meine freie Meinung wieder.
Hast du schon einmal ein ähnliches Produktionsunternehmen besucht oder warst gar schon in Zell am Harmersbach? Was hat dir besonders gefallen?
Vielen Dank für diese Einblicke. Aus Aachen kommend, führt mich am Mittwoch mein Weg ohnehin ins nahegelegene Nordrach. Wir werden also mehr Zeit einplanen und auf dem Heimweg Zell a.H. besuchen. Schön gestaltete Seite übrigens :)
Vielen Dank fürs Kompliment und ganz viel Spaß in Zell a.H.!
Zeller Keramik ist mit dem Klassiker Hahn und Henne ein echtes „Must-see“ im Schwarzwald. Jeder kann, wenn er möchte selbst kreativ werden. Bald haben wir dazu auch einen Blogbeitrag! Super!
Dem kann ich nur zustimmen. Tatsächlich waren wir inzwischen schon 3 mal dort und haben nun neben meiner Tasse auch schon zwei weitere selbst gestaltete Teller im Schrank. Hat uns allen dreien (super auch für Kinder!!) großen Spaß gemacht!
Wunderschöne, gelungene Reportage! Super gemacht! Herzlichen Glückwunsch und vielen Dank dafür!
Hallo Peter,
Ganz herzlichen Dank für dein tolles Feedback! Es freut mich sehr, dass dir der Artikel so gut gefällt!
Lg Michael