In der heutigen Folge von Raja fotografiert! geht es um grundlegende Gestaltungsregeln bei der Bildkomposition, um spannende und interessante Fotos zu komponieren. Dabei gehen wir unter anderem auf den Goldenen Schnitt, die Drittel-Regel, natürliche Rahmen, Ausschnitte, Standpunkte und Perspektiven ein.

Bildkomposition und Gestaltungsmittel

Michael: Ahoi Raja!

Raja: Hallo Michael!

Michael: Na, was macht das Fotografieren?

Raja: Ich würde behaupten, ich werde besser – zumindest, was die Handhabung der Kamera und das Technische betrifft. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass meinen Fotos noch etwas fehlt.

Michael: Hmm, hast du mal ein Beispiel zur Hand?

Raja: Klar, schau mal hier. Da habe ich einen Strand auf den Malediven fotografiert. Aber irgendwie begeistert mich das Foto nicht. Ich kann aber nicht sagen, woran das liegt.

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Michael: Nun, ich hätte da eine Idee. Zumindest fallen mir auf den ersten Blick zwei Dinge auf, die du verbessern könntest.

Raja: Und was?

Michael: Nun, das erste betrifft den Horizont. Er ist schief!

Horizont begradigen und platzieren

Raja: Huch, stimmt. Darauf habe ich gar nicht geachtet. Leider passiert mir das sehr häufig.

Michael: Das muss aber nicht sein. Ich verrate dir, wie du das ganz leicht verhinderst.

Raja: Nichts trinken? Luft anhalten?

Michael: Sicherlich auch hilfreich, aber ich dachte da eher an eine technische Hilfe. Blende dir in deiner Kamera eine Wasserwaage und / oder Hilfslinien ein!

Raja: Geht das?

Michael: Klar geht das! Dazu gehst du bei deiner Canon EOS 760D einfach in das vierte Menü und aktivierst die Anzeige für die Gitteranzeige für das Display und – noch wichtiger – im 8. Menü konfigurierst du die Anzeige für den Sucher. Dann hast du diese wichtigen Hilfsmittel schon direkt bei der Aufnahme deiner Szene im Blick und kannst damit bequem den Horizont immer schön gerade ausrichten.

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Raja: Klasse Tipp. Das mach ich! Allerdings hilft mir das ja bei meinem Bild nun auch nicht mehr, oder?

Michael: Stimmt. Aber das ist kein Problem. Du kannst den Horizont ja auch noch im Nachhinein begradigen. So ziemlich jedes Programm, mit dem du Fotos bearbeiten kannst, bietet da ein entsprechendes Werkzeug. Schau mal, ich habe das mal für dich vorgenommen.

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Raja: Oh schön. Das ist schon besser. Aber du meintest, du siehst noch etwas, was ich verbessern könnte?

Michael: Das ist richtig. Und zwar würde ich den Horizont nicht mittig platzieren, wie du es getan hast.

Raja: Warum das? Spielt das eine Rolle?

Michael: Tut es. Aber dazu möchte ich weiter ausholen. Hast du schon mal etwas vom Goldenen Schnitt gehört?

Goldener Schnitt

Raja: Ist das nicht etwas, was Leonardo Da Vinci erfunden hat?

Michael: Nicht ganz. Tatsächlich hat er es gern und oft sehr bewusst als Gestaltungsmittel bei der Bildkomposition eingesetzt. Entdeckt wurde das Prinzip aber schon in der griechischen Antike.

Das Prinzip des Goldenen Schnitts besagt, dass, eine Strecke dermaßen in zwei Teile geteilt werden kann, dass sich die kleinere Teilstrecke zur größeren Teilstrecke verhält, wie die größere Teilstrecke zur Gesamtstrecke. Mathematisch exakt ausgedrückt entspricht das dem Verhältnis 61,8% zu 38,2% oder grober ausgedrückt, ungefähr 1/3 zu 2/3.

Das Besondere daran ist nun aber, das genau dieses Verhältnis in der Natur sehr häufig vorkommt und von uns Menschen als sehr harmonisch empfunden wird!

Wo immer du in einer Szene dieses Verhältnis verwendest, wird der Betrachter deiner Aufnahme das Bild in der Regel harmonischer empfinden, als wenn du beispielsweise den Horizont deines Bildes einfach in die Mitte legst (was einem Verhältnis von 50% zu 50% entspricht).

Raja: Verstehe, dann zeigen mir die Gitterlinien in meiner Kamera genau dieses Verhältnis an?

Michael: So ziemlich, ja. Die meisten Kameras und Programme verwenden die Drittel-Regel, die einfacher zu verwenden und zu verstehen ist, als das exakte Fibonacci Verhältnis. 61,8% ist ja von 66 % nicht allzu weit entfernt, genau wie 38,2% von 33%.

Drittel-Regel

Michael: Ich habe dir mal hier die Linien einfach aufgemalt:

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Michael: Die vier Linien teilen dein Bild in 9 gleich große Rechtecke.

Wie du siehst, ergeben sich daraus aber nicht nur 2 einfache Möglichkeiten, den Horizont zu platzieren, sondern auch noch 2 Möglichkeiten, weitere wichtige Linien in deinem Bild auf die vertikalen Linien zu legen und sogar 4 Möglichkeiten, wichtige Objekte deiner Szene auf einen der 4 Schnittpunkte zu platzieren. In der Regel entstehen dadurch Szenen, die auf einen Betrachter viel spannender wirken, als wenn du dein Hauptmotiv einfach nur in der Mitte platzierst. Und die Gitterlinien helfen dir direkt dabei, deine Szene schon bei der Aufnahme nach der Drittel-Regel zu gestalten.

Raja: Klasse. Das probiere ich aus. Aber mal zurück zu meinem Horizont. Auf welche der beiden Linien lege ich den denn nun?

Michael: Nun, das kommt ganz darauf an, was du in deinem Bild mehr betonen möchtest. Wenn du besonders schöne Farben oder Wolken am Himmel in den Vordergrund legen möchtest, dann platzierst du den Horizont am bestes auf die untere Drittellinie, um mehr Himmel zu zeigen und somit zu betonen.

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Michael: Wenn dir dagegen der Strand, die Landschaft etc. unterhalb des Himmels wichtiger ist, dann legst du den Horizont auf die obere Drittel-Linie, um den Rest des Bildes mehr zu betonen.

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Raja: Das ist ja einfach!

Michael: Genau, das ist der Punkt. Diese beiden Regeln sind sehr leicht anzuwenden und haben bereits eine große Wirkung. Horizont gerade ablichten und bewusst auf eine der beiden Drittel-Linien platzieren. Schon werden deine Landschaftsaufnahmen spannender. Cool, oder?

Raja: Absolut!

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Michael: Und wenn du ein spezielles Motiv oder interessante Gegenstände in deiner Szene hast, dass versuche diese, ebenfalls nicht mittig zu platzieren, sondern beispielsweise in einem der vier Schnittpunkte der Drittel-Linien zu legen.

Raja: Notiert! Also niemals etwas im Bildmittelpunkt platzieren?

Michael: Jein. In der Regel nicht. Aber wie immer bei allem im Leben gibt es Ausnahmen. Wenn Symmetrie in deinem Bild eine besondere Rolle spielt, dann kannst du sehr wohl ein Motiv oder eine Spiegellungsachse in die Mitte legen. Gerade bei Spiegelungen im Wasser o.ä. ist das sehr interessant. Das musst du einfach mal ein wenig austesten. Im Zweifel mach einfach mehrere Aufnahmen und schau dir später in Ruhe am Bildschirm an, was spannender auf dich wirkt.

Raja: Verstehe. Probiere ich aus. Hast du noch mehr solcher Gestaltungsregeln auf Lager?

Michael: Na klar.

Natürlicher Rahmen

Michael: Eine ebenfalls oft einfach anzuwendende und effektvolle Regel besagt, dass gerahmte Bilder oft interessanter ausschauen.

Raja: Gerahmt? So mit Bilderrahmen und so?

Michael: Nope, das mein ich nicht. Ich rede von natürlichen Rahmen. Suche dir etwas, was dir als Rahmen im Bild selbst dienen kann. Das mag ein Fenster sein, durch das du fotografierst, ein Loch in einer Mauer, ein Geländer oder im einfachsten Fall einfach ein Baum mit seinen Ästen. Wenn du dich aufmerksam umschaust, wirst du viele solcher Gelegenheiten entdecken.

Hier mal ein Beispiel:

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Michael: Da habe ich einfach das Geländer, das Dach und einen Balken eines Aussichtspunktes als Rahmen genutzt. Oftmals reichen da schon 2 oder 3 Seiten, die deine Szene begrenzen, um sie spannender zu gestalten und das Auge des Betrachters in die Mitte des Bildes zu lenken.

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Führende Linien

Michael: Apropos lenken. Da fällt mir noch ein Tipp ein. Versuche, spannende Linien in deiner Umgebung zu finden, die das Auge des Betrachters zu einem interessanten Motiv hinführen. Solche Linien – am besten Diagonalen – kannst du oft besonders einfach in die Ecken deines Bildes legen, von wo sie aus in das Bild hineinführen. Du wirst sehen, auch solche Bilder sind fast schon von allein spannend und interessant.

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Michael: Bei diesem Bild habe ich übrigens nicht nur eine führende Linie verwendet, sondern zusätzlich auch noch den Horizont auf die obere Drittel-Linie gelegt und das Ende der Straße in einen der vier Schnittpunkte!

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Raja: Das finde ich interessant. Das kann ich bestimmt besonders gut in Städten oder bei Gebäuden mit klaren Kanten und Linien einsetzen, oder?

Michael: Richtig. Aber auch in der Landschaftsfotografie finden sich oft solche Möglichkeiten. Ein Beispiel dafür wäre ein sich schlängelnder Weg, der in deine Szene hineinführt und den Betrachter somit quasi „mitnimmt“.

Raja: Okay, was noch?

Weniger ist mehr

Michael: Hmm, was noch? Ah ja. Da fällt mir ein Punkt ein, den gerade Einsteiger oft nicht auf dem Radar haben. Weniger ist oft mehr! Mal von weiten, ausladenden Landschaften abgesehen, ist gerade beim Fotografieren in der Stadt weniger oft mehr. Damit meine ich einfach, hab Mut zum Zoom. Suche dir spannende Ausschnitte und Details. Gerade diese ergeben oft die spannendsten Motive. Statt einer Kirche im Ganzen halte interessante Verzierungen oder Kleinigkeiten fest.

Famous and beautiful Sagrada Familia in Barcelona, Spain

 

Michael: Manchmal sind’s auch einfach mal Ausschnitte, die die Fantasie des Betrachters anregen. Denn, was nicht auf dem Bild ist, aber offensichtlich fehlt oder angedeutet ist, kann durchaus spannend sein. Oder wenn der Betrachter vielleicht nicht auf dem ersten Blick erkennt, um was es sich eigentlich handelt, dann hast du auch schon fast gewonnen.

Raja: Ah, das kenne ich. Das ist wie mit meinem Freund. Das, was er nicht sieht, ist oft spannender, als das, was er sieht *zwinkert verführerisch*

Michael: Hehe, genau.

Standpunkt und Perspektive

Michael: Apropos sehen. Wenn du durch die Straßen läufst, dann sind deine Augen oftmals einfach gerade ausgerichtet und meist auch immer auf der gleichen Höhe. So nimmst du zu 80% der Zeit deine Umwelt wahr. Darum wirken auf dich Bilder, Szenen und Videos, die einfach mal aus einer anderen, ungewohnteren Perspektive erstellt sind, sehr häufig viel interessanter, als das tägliche Einerlei.

Das kannst du ebenfalls für dich nutzen!

Fotografiere einfach mal aus der Hocke knapp über dem Boden. Oder suche dir einen erhöhten Standpunkt. Richte die Kamera mal nach oben oder nach unten. Breche einfach aus dem Gewohnten aus. Das ergibt Bilder, die auch andere interessant finden werden. Der 0185-Tourist, der einfach immer die Kamera auf Augenhöhe ansetzt, abdrückt und nur vor sich her fotografiert, wird wenig wirklich interessante Bilder am Ende haben. Sei anders. Zeige mit deinen Fotos Dinge und Perspektiven, die für den Betrachter ungewohnt oder unerwartet sind. Das fasziniert!

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Raja: An so etwas habe ich überhaupt noch nicht gedacht. Das muss ich unbedingt mal ausprobieren!

Kontraste und Formen

Michael: Tu das! Ach ja, und wenn du so richtig im Experimentierfieber bist, dann halte gleich noch Ausschau nach kräftigen Farben, starken Kontrasten oder eindrucksvollen Formen. Auch die lassen sich gern mal auf einfache Art und Weise zu einem tollen Foto kombinieren.

bildkomposition-gestaltungsregeln-starke-kontraste

 

Michael: Es muss nicht immer nur die 0815 Sehenswürdigkeit sein, die schon Tausende vor dir fotografiert haben. Versuche, Neues zu entdecken. Sei anders.

Raja: Gebongt. Ok, ich glaube, die vielen Anregungen muss ich erstmal für mich sortieren und austesten.

Michael: Glaub ich gern. Und wie gesagt, verzweifle nicht, wenn du nicht sofort mit jedem Foto einen Knaller erzielst. Versuche vor allem die anfangs genannten, einfachen Regeln oft anzuwenden. Der Rest ist Experimentieren und Erfahrung. Einfach probieren und schauen, was passiert bzw. wie bestimmte Dinge am Ende auf dich wirken, wenn du deine eigenen oder auch die Bilder anderer betrachtest.

Du kannst dir beispielsweise auch einfach mal eine Fotozeitschrift kaufen und durchblättern. Suche dir Bilder, die dich faszinieren und überlege, warum sie das tun. Hat der Fotograf einen bestimmten Kniff benutzt? Erkennst du die eine oder andere Gestaltungsregel wieder? Hat die Bildkomposition etwas Besonderes? Wenn du bewusst Bilder betrachtest und Gestaltungsmittel bewusst einsetzt, wirst du ganz automatisch mit der Zeit immer spannendere Fotos aufnehmen. Da bin ich mir ganz sicher.

Raja: Na dein Wort in Gottes Ohr! *lacht*

Michael: Ok, fass doch mal zusammen. Welche Gestaltungsregeln zur Bildkomposition kennst du nun?

Raja: Da hätten wir erst einmal den Horizont, der möglichst gerade platziert werden sollte – am besten dazu noch auf der oberen oder der unteren Drittel-Linie. Die Drittel-Regel an sich hilft mir, Objekte und starke Linien im Bild so anzuordnen, dass der Betrachter die Szene harmonischer wahrnimmt. Das liegt am Goldenen Schnitt, der der Drittel-Regel zu Grunde liegt. Er entspricht einem Verhältnis, das häufig in der Natur vorkommt und harmonisch auf uns Menschen wirkt.

Weitere Gestaltungsmöglichkeiten sind das Verwenden von natürlichen Rahmen oder das Lenken des Auges des Betrachters durch starke Linien, die auf ein Motiv hinführen. Aber auch Symmetrie kann sehr wirkungsvoll sein. Manchmal ist weniger mehr. Ausschnitte und Details ergeben auch oft spannende Motive. Überhaupt ist das Ungewohnte besonders spannend. Drum sollte ich einfach auch mal die Kamera in ungewöhnliche Richtungen halten, mir spannende Perspektiven suchen oder einfach mal knapp über dem Boden fotografieren usw.

Michael: Perfekt. Du hast gut aufgepasst!

Raja: Mach ich das nicht immer?

Michael: Meistens! *zwinkert*

Michael: Dann mal viel Spaß beim Ausprobieren und Experimentieren!

Raja: Danke, werde ich haben!

 

Zusammenfassung

Raja notiert …

  • Beim Fotografieren auf einen geraden Horizont achten.
  • Hilfsmittel der Kamera nutzen und Gitterlinien und Wasserwaage einblenden.
  • Der Goldene Schnitt bezeichnet ein besonders harmonischen Verhältnis und entspricht annähernd ein Drittel zu zwei Drittel.
  • Die abgeleitete Drittel-Regel bietet 2 horizontale und 2 vertikale Linien sowie 4 Schnittpunkte, um wichtige Motive einfach und effektiv zu platzieren.
  • Ein natürlicher Rahmen macht ein Bild spannend, begrenzt es und lenkt die Augen des Betrachters.
  • Führende Linien, spannende Ausschnitte, interessante Perspektiven, starke Kontraste und Formen sind weitere wichtige Gestaltungsmittel zur Bildkomposition.

 

Fotografie Tipps mit Raja Reiselust - Bildkomposition

 

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