Lektion: BG002

In dieser Lektion lernst du …

… was stürzende Linien sind, wie sie entstehen, wie du sie vermeidest und wann du sie bewusst als gestalterisches Mittel einsetzen kannst.

Einsteiger-Wissen

Als Stürzende Linien bezeichnet man in der Realität parallele, vertikale Geraden, die auf deinem Bild plötzlich „zur Bildmitte hin stürzen“ – sprich sie laufen scheinbar an einem Fluchtpunkt zusammen, obwohl das in der Realität gar nicht der Fall ist.

Sie entstehen, wenn die Kamera zum Bildmotiv hin geneigt wird, anstatt Sensorfläche und Motiv zueinander parallel zu halten. Sehr auffällig wird das bei der Aufnahme von Gebäuden und Stadtbildern. Besonders leicht entstehen sie bei Verwendung eines Weitwinkelobjektivs, wenn der Fotograf zu nah am Motiv steht und im Vergleich zur Größe des Objektes zu weit unten positioniert ist.

Tipps zum Vermeiden von stürzenden Linien:

  • Kamera nicht verschwenken oder neigen.
  • Mehr Abstand zum Motiv gewinnen.
  • Bei hohen Gebäuden aufs Hochformat setzen.
  • Tilt- & Shift Objektiv verwenden.
  • Auf kleinere Brennweiten verzichten.
  • Objektiv mittig statt am Rand des Bildes positionieren.
  • Erhöhten Aufnahmestandort auf Augenhöhe / mittig zum Motiv suchen.

Kannst du dich nicht weit genug vom Motiv entfernen, um Stürzende Linien zu vermeiden, dann greife auf das Hochformat und eine möglichst kleine Brennweite zurück. Halte die Kamera gerade und neige sie nicht, sondern nimm das Objekt eher etwas kleiner mit ausreichend Platz an den Rändern auf. In der Bildbearbeitung später schneidest du einfach die nicht benötigten Freiräume weg. Außerdem hast du dann genug Platz, um das Bild noch nachträglich zu entzerren.

Fortgeschrittenen-Wissen

Stürzende Linien sind aber nicht immer etwas Schlechtes, auch wenn du sie in der Regel vermeiden wollen wirst. Bewusst als kreatives Gestaltungsmittel eingesetzt, helfen sie dir Höhe, Dynamik oder Größe eines Motivs zu betonen und herauszuheben. Du solltest – wenn du zu diesem Gestaltungsmittel greifst – die stürzenden Linien deutlich wirken lassen. Nur leicht stürzende Linien werden vom Betrachter in der Regel als Fehler empfunden.

Hast du ein Bild aufgenommen und stellst im Nachhinein fest, dass es ungewollte Stürzende Linien enthält, dann kannst du diese mit einer entsprechenden Software wie Lightroom oder Photoshop beseitigen, indem du das Bild entzerrst. Allerdings musst du dabei darauf achten, das Bild nicht zu stark zu entzerren, denn sonst sieht das Ergebnis womöglich unnatürlich und entstellt aus. In einem solchen Fall korrigiere die Linien nur leicht und verzichte auf die Parallelisierung aller Vertikalen.

Hinweis: Ein Foto mit stürzenden Linien hat oft auch schon per se ein Problem hinsichtlich der Schärfe. Durch das Entzerren kann sich der Effekt noch deutlich verschärfen. Es empfiehlt sich also, das Bild selektiv nachzuschärfen.

Fotowissen - Stürzende Linien

Experten-Wissen

Tilt- & Shift Objektive können effektiv dazu verwendet werden, stürzende Linien bereits bei der Aufnahme zu verhindern. Allerdings sind diese Objektive in der Regel sehr teuer und bringen weitere Nachteile mit sich.

Nachteile von Tilt- & Shift Objektiven:

  • Sehr teuer (meist vierstellig).
  • Kein Autofokus.
  • Belichtung muss manuell vorgenommen werden.
  • Verwendung eines Stativs ist mehr als empfehlenswert.

Praxis-Tipp

Blende die Wasserwaage deiner Kamera ein, so sie denn eine hat. So kannst du schon während der Aufnahme darauf achten, die Kamera nicht doch versehentlich zu neigen.

Zusammenfassung

Vor allem beim Fotografieren in Städten und von Gebäuden versucht man üblicherweise Stürzende Linien zu vermeiden und vertikale Linien tatsächlich auch vertikal und parallel zueinander abzubilden. Das erreichst du in erster Linie, indem du deine Kamera gerade hältst und nicht nach oben neigst. Bewusst eingesetzt helfen Stürzende Linien jedoch, Größe und Höhe eines Objektes besonders zu betonen.

Fotowissen - Stürzende Linien

 

Workshop

Idee des Bildes

Stürzende Linien kannst du sehr effektvoll in Städten mit vielen, sehr hohen Gebäuden einsetzen. Mit einem kleinen Trick funktioniert das sogar bei kleineren Gebäuden sehr gut. Für diese Aufnahme suchst du dir ein schönes halbwegs hohen Gebäude mit einer modernen und interessanten Fassade. Ein verglastes Gebäude funktioniert besonders gut. Mit einer ungewöhnlichen Perspektive und bewusst gesetzten stürzenden Linien wird daraus eine spannende Architekturaufnahme.

Benötigte Ausrüstung

  • eine Kamera
  • ein Weitwinkelobjektiv oder ein Standard-Zoom-Objektiv
  • Optional: ein Stativ

 

Die Umsetzung

  1. Wähle den halbautomatischen AV Modus aus.
  2. Verwende eine mittlere Blende von ca. f/11.
  3. Stelle dich sehr nah an die Ecke des Gebäudes.
  4. Richte die Kamera steil nach oben und achte darauf, dass du das ganze Gebäude trotz des steilen Winkels mit aufs Bild bekommst.
  5. Fokussiere einen Punkt im unteren Drittel des Gebäudes an oder nutze die Mehrfeld-Automatik.
  6. Bei Nutzung eines Stativs und LiveView – überprüfe die Schärfe an verschiedenen Stellen deines Bildes, indem die die Zoom Funktion benutzt. Korrigiere gegebenenfalls deine Fokussierung.
  7. Löse aus.
  8. Überprüfe die Belichtung und Schärfe im Bild, korrigiere gegebenenfalls deine Einstellungen und löse erneut aus.
  9. Bearbeite das Bild anschließend in Schwarz-Weiß.

Bonus-Tipp

Fotografierst du mit Stativ an einem bewölkten Tag, dann erstelle eine Langzeitaufnahme dieses Motivs!